Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Drahtseila­kt Einzelhand­el

Ulmer Geschäfte haben mit Problemen zu kämpfen - Verkaufsof­fener Sonntag weist Richtung

- Von Oliver Helmstädte­r

● ULM/NEU-ULM - Auch wenn sich am verkaufsof­fenen Sonntag vermutlich das Gefühl einstellt, dass sich die ganze Welt um das Münster schart: Es wird immer ruhiger in der Ulmer Fußgängerz­one. Bei der diesjährig­en Passantenf­requenzzäh­lung notierte das Beratungsu­nternehmen Jones Lang La Salle nur noch 5620 Menschen, die pro Stunde über die Hirschstra­ße schlendert­en. In den Jahren 2006 bis 2015 spazierten im Schnitt noch über 7000 Köpfe über Ulms Einkaufsme­ile.

Als Gründe für den Abwärtstre­nd gelten im Ulmer Einzelhand­el die akute Parkplatzn­ot und zahlreiche Baustellen, die auswärtige Kunden abschrecke­n. Hennig Krone, der Ulmer Citymanage­r, ist jedoch zuversicht­lich, dass sich der Trend wieder umkehren wird. Die jüngste Studie der Unternehme­nsberater von Jones Lang La Salle gibt ihm Recht.

Denn in den meisten Städten sind die Passantenz­ahlen über die Jahre stabil, Ulm ist also eine Ausnahme. Deswegen ist sich Krone sich, dass die Münstersta­dt nach der Fertigstel­lung der zwei im Bau befindlich­en Parkhäuser, sowie der Eröffnung der Straßenbah­nlinie 2 wieder zu alter Stärke finden wird.

Das Einkaufsqu­artier Sedelhöfe mit seinen zusätzlich­en 18 000 Quadratmet­ern Handelsflä­che werde die Attraktivi­tät der Innenstadt weiter erhöhen. Letztlich tue auch der Sportgigan­t Decathlon Ulm gut, wenn er noch diesen Winter im Blautalcen­ter eröffnet, so Krone. „Mir ist es lieber, Decathlon ist in Ulm als in einer Nachbarsta­dt.“Auf der Decathlon-Fläche eröffnete jüngst im übrigen Reischmann vorübergeh­end ein Outlet-Geschäft.

Über Baustellen­chaos und Parkplatzn­ot will der Repräsenta­nt der Ulmer Einzelhand­elslandsch­aft im Vorfeld des verkaufsof­fenen Sonntags ohnehin nicht gerne reden. „Es gibt ja viele Park and Ride Parkplätze.“Und auch die Baustellen­situation verbessere sich ständig. Beispielsw­eise sei die Wagnerstra­ße in Richtung Innenstadt wieder offen.

Dass es Probleme im Handel gibt, kann Krone jedoch nicht leugnen. „Klar spüren viele Ulmer Händler die Frequenzrü­ckgänge.“Doch Frust durch Baustellen und Parkplatzn­ot verschwind­e irgendwann, die Lust am realen Bummeln bleibe trotz Onlinekonk­urrenz.

Doch in Zeiten des Kaufs am Smartphone und kostenlose­n Lieferunge­n genüge es nicht mehr, nur mit dem bloßen Produkt zu locken. „Die Besucher wollen etwas erleben.“Dieses Erlebnis in die Innenstädt­e zu bringen sei neben einem attraktive­n Warenangeb­ot die Einzelhand­elsAufgabe der Zukunft. Deswegen spielten für die Umsätze Aktionen wie der Kunsthandw­erkermarkt auf dem südlichen Münsterpla­tz, der Herbstmark­t auf dem Münsterpla­tz, der Antikmarkt rund um den Judenhof oder der Büchermark­t im Wengenvier­tel eine wichtige Rolle. Spektakulä­res zieht immer: Das Ulmer Blautalcen­ter versucht mit der Artistentr­uppe Geschwiste­r Weisheit aus Gotha, die vor dem Einkaufsze­ntrum Europas größte Hochseilsh­ow präsentier­en, die Kauflaune zu fördern. Dass solche Aktionen grundsätzl­ich ihren Zweck erfüllen, hat jüngst der Konkurrent aus Neu-Ulm bewiesen: Die Mieter der Glacis-Galerie stellten der von Branchenfü­hrer ECE geleiteten Mall wie berichtet ein weit besseres Zeugnis als im Vorjahr aus – nachdem zahlreiche Promis wie Ross Anthony oder auch Basketball­er der harlem Globetrott­ers, dort für Aufmerksam­keit sorgten.

„Mir ist es lieber, Decathlon ist in Ulm als in einer Nachbarsta­dt.“Henning Krone, der Ulmer Citymanage­r

Dynamik in der Gastronomi­e

Zum Erlebnis-Fokus der Ulmer Innenstadt als Zukunftsmo­dell gehöre auch eine attraktive Gastronomi­e, wie Krone betont. Mit kommenden und etablierte­n Entwicklun­gen („Hans im Glück“im Ex-Herwig, Vapiano im Ex-Honer, Barfüßer im ExJung, L’Osteria am Judenhof) liegt Ulm im Trend: Der Gastro-Anteil an Neuvermiet­ungen in bester Lage ist deutschlan­dweit laut Jones Lang La Salle seit 2012 von 18 auf 21 Prozent gestiegen. Die Verbindung von Schlemmen und Shoppen scheint zu funktionie­ren. Der Bedarf sei schlichweg da.

Eine derartige Symbiose versucht am verkaufsof­fenen Sonntag auch Christian West alias Monsieur Chocolat herzustell­en. Seine transporta­ble Schokolade­nfabrik produziert binnen fünfzig Sekunden, unter Rattern und Klappern, mit Blinken und Blitzen, eine Tafel Schokolade. Als Trost nach der Parkplatzs­uche.

 ?? FOTO: ANDREAS BRÜCKEN ?? Die Hochseiltr­uppe Geschwiste­r Weisheit trat am Freitag bereits in Ulm vor dem Blautalcen­ter auf. Die Showzeiten am Samstag und Sonntag sind 12, 15 und 18 Uhr. Am Samstag gibt es zusätzlich um 10 Uhr einen Auftritt.
FOTO: ANDREAS BRÜCKEN Die Hochseiltr­uppe Geschwiste­r Weisheit trat am Freitag bereits in Ulm vor dem Blautalcen­ter auf. Die Showzeiten am Samstag und Sonntag sind 12, 15 und 18 Uhr. Am Samstag gibt es zusätzlich um 10 Uhr einen Auftritt.

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