Drahtseilakt Einzelhandel
Ulmer Geschäfte haben mit Problemen zu kämpfen - Verkaufsoffener Sonntag weist Richtung
● ULM/NEU-ULM - Auch wenn sich am verkaufsoffenen Sonntag vermutlich das Gefühl einstellt, dass sich die ganze Welt um das Münster schart: Es wird immer ruhiger in der Ulmer Fußgängerzone. Bei der diesjährigen Passantenfrequenzzählung notierte das Beratungsunternehmen Jones Lang La Salle nur noch 5620 Menschen, die pro Stunde über die Hirschstraße schlenderten. In den Jahren 2006 bis 2015 spazierten im Schnitt noch über 7000 Köpfe über Ulms Einkaufsmeile.
Als Gründe für den Abwärtstrend gelten im Ulmer Einzelhandel die akute Parkplatznot und zahlreiche Baustellen, die auswärtige Kunden abschrecken. Hennig Krone, der Ulmer Citymanager, ist jedoch zuversichtlich, dass sich der Trend wieder umkehren wird. Die jüngste Studie der Unternehmensberater von Jones Lang La Salle gibt ihm Recht.
Denn in den meisten Städten sind die Passantenzahlen über die Jahre stabil, Ulm ist also eine Ausnahme. Deswegen ist sich Krone sich, dass die Münsterstadt nach der Fertigstellung der zwei im Bau befindlichen Parkhäuser, sowie der Eröffnung der Straßenbahnlinie 2 wieder zu alter Stärke finden wird.
Das Einkaufsquartier Sedelhöfe mit seinen zusätzlichen 18 000 Quadratmetern Handelsfläche werde die Attraktivität der Innenstadt weiter erhöhen. Letztlich tue auch der Sportgigant Decathlon Ulm gut, wenn er noch diesen Winter im Blautalcenter eröffnet, so Krone. „Mir ist es lieber, Decathlon ist in Ulm als in einer Nachbarstadt.“Auf der Decathlon-Fläche eröffnete jüngst im übrigen Reischmann vorübergehend ein Outlet-Geschäft.
Über Baustellenchaos und Parkplatznot will der Repräsentant der Ulmer Einzelhandelslandschaft im Vorfeld des verkaufsoffenen Sonntags ohnehin nicht gerne reden. „Es gibt ja viele Park and Ride Parkplätze.“Und auch die Baustellensituation verbessere sich ständig. Beispielsweise sei die Wagnerstraße in Richtung Innenstadt wieder offen.
Dass es Probleme im Handel gibt, kann Krone jedoch nicht leugnen. „Klar spüren viele Ulmer Händler die Frequenzrückgänge.“Doch Frust durch Baustellen und Parkplatznot verschwinde irgendwann, die Lust am realen Bummeln bleibe trotz Onlinekonkurrenz.
Doch in Zeiten des Kaufs am Smartphone und kostenlosen Lieferungen genüge es nicht mehr, nur mit dem bloßen Produkt zu locken. „Die Besucher wollen etwas erleben.“Dieses Erlebnis in die Innenstädte zu bringen sei neben einem attraktiven Warenangebot die EinzelhandelsAufgabe der Zukunft. Deswegen spielten für die Umsätze Aktionen wie der Kunsthandwerkermarkt auf dem südlichen Münsterplatz, der Herbstmarkt auf dem Münsterplatz, der Antikmarkt rund um den Judenhof oder der Büchermarkt im Wengenviertel eine wichtige Rolle. Spektakuläres zieht immer: Das Ulmer Blautalcenter versucht mit der Artistentruppe Geschwister Weisheit aus Gotha, die vor dem Einkaufszentrum Europas größte Hochseilshow präsentieren, die Kauflaune zu fördern. Dass solche Aktionen grundsätzlich ihren Zweck erfüllen, hat jüngst der Konkurrent aus Neu-Ulm bewiesen: Die Mieter der Glacis-Galerie stellten der von Branchenführer ECE geleiteten Mall wie berichtet ein weit besseres Zeugnis als im Vorjahr aus – nachdem zahlreiche Promis wie Ross Anthony oder auch Basketballer der harlem Globetrotters, dort für Aufmerksamkeit sorgten.
„Mir ist es lieber, Decathlon ist in Ulm als in einer Nachbarstadt.“Henning Krone, der Ulmer Citymanager
Dynamik in der Gastronomie
Zum Erlebnis-Fokus der Ulmer Innenstadt als Zukunftsmodell gehöre auch eine attraktive Gastronomie, wie Krone betont. Mit kommenden und etablierten Entwicklungen („Hans im Glück“im Ex-Herwig, Vapiano im Ex-Honer, Barfüßer im ExJung, L’Osteria am Judenhof) liegt Ulm im Trend: Der Gastro-Anteil an Neuvermietungen in bester Lage ist deutschlandweit laut Jones Lang La Salle seit 2012 von 18 auf 21 Prozent gestiegen. Die Verbindung von Schlemmen und Shoppen scheint zu funktionieren. Der Bedarf sei schlichweg da.
Eine derartige Symbiose versucht am verkaufsoffenen Sonntag auch Christian West alias Monsieur Chocolat herzustellen. Seine transportable Schokoladenfabrik produziert binnen fünfzig Sekunden, unter Rattern und Klappern, mit Blinken und Blitzen, eine Tafel Schokolade. Als Trost nach der Parkplatzsuche.