Hebamme aus Leidenschaft
Brunhilde Wohlleb ist sich sicher: Hautkontakt von Mutter und Kind ist ganz wichtig
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EHINGEN - Brunhilde Wohlleb aus Ehingen hat schon früh ihre Berufung gefunden: Schon als sie 14 Jahre alt war, wollte sie Hebamme werden, ohne sagen zu können, warum. Heute ist sie leitende Hebamme der Ehinger Frauenklinik. Auch wenn besonders freiberufliche Hebammen mit Problemen zu kämpfen haben, sagt sie: „Es ist ein toller, schöner Beruf – von Anfang an ist man beim Leben dabei.“Genauso voll Überzeugung spricht sie davon, wie wichtig die Körpernähe zwischen Neugeborenem und Mutter von Beginn an ist. Ein Besuch in der Ehinger Frauenklinik zur Weltstillwoche.
„Hebamme ist ein sehr emotionaler Beruf, der auch sehr viel mit einem selber macht“, sagt Brunhilde Wohlleb, die seit 25 Jahren für die Ehinger Klinik arbeitet. Dass der Beruf auch anstrengend ist, verschweigt sie nicht. Das habe vor allem mit den Früh-, Spät- und Nachtschichten zu tun, genauso wie mit dem Personalmangel, der Pflegeberufe insgesamt betreffe. Zudem, erklärt sie, werde man für die Verantwortung, die man in dem Berufe habe, sehr schlecht bezahlt. Das sei auch ein Grund, weshalb es Nachwuchsprobleme gebe.
Doch der Akt des Gebärens und wie sich alle freuen, wenn ein neuer kleiner Mensch auf die Welt kommt, sei einfach etwas einzigartiges – da hätten auch die Hebammen immer wieder Tränen in den Augen. „Man kriegt auch viel von den Familien mit. Wenn eine Schieflage da ist, kann man viel auffangen“, sagt Wohlleb.
Organisationstalent im Kreißsaal
Zwölf Hebammen sind bei der Ehinger Frauenklinik angestellt, sechs von ihnen arbeiten zur Hälfte freiberuflich. Neben der Arbeit im Kreißsaal geben sie Kurse in der Schule des Gesundheitszentrums, unterstützen bei der Geburtsvorbereitung und hinterher im Wochenbett. Kurse seien wichtig, weil dabei Fachwissen vermittelt werde und man so gegen „Pseudowissen aus dem Internet“gegensteuern könne. Wohlleb selbst arbeitet nur noch im Kreißsaal. An jedem Tag ist es aufs Neue eine Überraschung, ob im Kreißsaal das Licht brennt oder nicht, wenn sie in die Klinik kommt. Ist der Kreißsaal beleuchtet, heißt das: Eventuell sind gleich mehrere Frauen da, die ein Kind zur Welt bringen. „Als Hebamme muss man ein Organisationstalent sein“, erklärt Wohlleb. „In so einem Fall muss man gucken, wo dringender, wo mehr Hilfe nötig ist.“
Die Zahl der Geburten an der Ehinger Klinik ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. 1992 habe es 430 Geburten gegeben, sagt Wohlleb, im vergangenen Jahr 725. In diesem Jahr hätten schon um die 530 Babys in Ehingen das Licht der Welt erblickt.
Für die leitende Hebamme haben die steigenden Zahlen mit der Zertifizierung der Ehinger Klinik als „babyfreundlich“zu tun – eine Initiative von WHO und Unicef. Dabei geht es um eine enge Bindung zum Kind, um Hautkontakt von Anfang an. „Die Mutter bekommt das Kind nach der Geburt bei uns gleich zu sich auf die Brust gelegt“, erklärt Wohlleb. „Wir setzen uns auch fürs Stillen ein, das ist gut für die Bindung zwischen Mutter und Kind.“Das habe nichts mit Verwöhnen zu tun und man müsse auch keine Angst haben, das Kind zu erdrücken.
Weil in der Vergangenheit viele Säuglinge in den ersten Wochen wegen sinkender Stillraten verstorben sind, sei die Weltstillwoche ins Leben gerufen worden, die dieses Jahr vom 2. bis 8. Oktober stattfindet, erklärt Wohlleb. Sie erzählt von einem Skandal in den 70er-Jahren, als Milchpulver an Mütter verteilt worden sei, die kein sauberes Wasser zur Verfügung gehabt hätten. Dadurch seien viele Babys an Infektionen gestorben. Innerhalb von 20 Jahren habe sich die Säuglingssterblichkeitsrate mittlerweile halbiert – das habe damit zu tun, dass mehr Mütter stillen und das auch länger, ist sich Wohlleb sicher. „Muttermilch ist hygienisch sauber.“Die Weltstillwoche sorge für mehr Aufmerksamkeit bei den Frauen.
Hautkontakt herstellen
Doch ob jemand stillen wolle oder nicht, müsse jeder für sich selbst wissen, erklärt die Ehinger Hebamme. Manche entschieden sich dagegen, weil sie beim ersten Kind etwa eine Brustentzündung hatten oder zu wenig Milch. Versuchen würden es aber fast alle erst einmal. Und wenn man die Flasche gebe, könne man sich als Vater oder Mutter auch ausziehen, um Hautkontakt herzustellen.