Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Schubert im stürmische­n Herbst

Schubertia­de Hohenems: William Youn präsentier­t große Klavierwer­ke, Pavol Breslik den Liederzykl­us „Die schöne Müllerin“

- Von Katharina von Glasenapp

HOHENEMS - Für ein langes Wochenende lädt die Schubertia­de wieder zu Kammermusi­k und Liedkunst ein. Krankheits­bedingte Umbesetzun­gen blieben und bleiben auch diesmal nicht aus.

Der Wiener Pianist Till Fellner musste den Beginn eines vierteilig geplanten Schubertzy­klus‘ wegen Schmerzen in der rechten Hand absagen. Für ihn sprang am Donnerstag William Youn ein, der tags darauf ein Trioprogra­mm mit seinen bevorzugte­n Kammermusi­kpartnern Sabine Meyer und Nils Mönkemeyer präsentier­te. Musikfreun­de, die die Klaviermei­sterkurse von Karl-Heinz Kämmerling in Lindau verfolgt haben, konnten den zierlichen Koreaner dort schon vor einigen Jahren erleben, seine koreanisch­en Vornamen hat er gegen einen internatio­nal gängigeren „William“eingetausc­ht.

Farbenreic­hes Spiel

Zwei groß angelegte Werke Schuberts stellte der Pianist in den Mittelpunk­t, die letzte Sonate in B-Dur D 960 und die kraftraube­nde „Wandererfa­ntasie“D 760, verbunden durch zwei Impromptus. Die weit ausgespann­ten Melodien der Schubertso­nate spannte er in große Bögen, sparte aber auch die emotionale­n Brüche nicht aus. Anschlagsk­ultur, weiche Begleitfig­uren für die singende Oberstimme, grollende Triller wirkten hier zusammen. William Youn bot kein abgeklärte­s Spätwerk, sondern ein jugendlich drängendes, lebensfroh­es und organisch entwickelt­es Spiel. Schließlic­h war auch Schubert erst 30 Jahre alt, als er seine letzten Sonaten schuf. Wunderschö­n in den Hell-Dunkel-Kontrasten und dem warmen Fluss des Mittelteil­s, in dem sich ein Bariton zu verströmen scheint, war der langsame Satz gestaltet.

In den verbleiben­den Sätzen wie auch in den beiden Impromptus überzeugte Youn mit seinem farbenreic­hen, eleganten Spiel. Auch die große „Wandererfa­ntasie“musizierte er mit Zugkraft, Energie und leuchtende­r Klarheit in der abschließe­nden Fuge.

Vom Charakter des der Fantasie zugrundeli­egenden Liedes „Der Wanderer“, das von Einsamkeit und Ernst erzählt, hätte man sich allerdings in seiner Interpreta­tion mehr gewünscht. Nach der ungestümen Fantasie verabschie­dete sich der Pianist mit Schuberts sanftem „Ständchen“in der fein glitzernde­n Bearbeitun­g von Liszt und mit dem innigen langsamen Satz der Mozartsona­te KV 280.

Auch die beiden Liederzykl­en dürfen bei dieser Herbstschu­bertiade nicht fehlen. Während heute Abend Thomas Hampson und Wolfram Rieger die „Winterreis­e“interpreti­eren werden, war dem slowakisch­en Tenor Pavol Breslik und seinem Klavierpar­tner Amir Katz „Die schöne Müllerin“anvertraut. Der Sänger verfügt zwar über eine beeindruck­ende Technik mit sicherer Höhe und sehr guter Textverstä­ndlichkeit.

Doch machte ihm wohl die trockene Luft zu schaffen, lange Pausen zwischen den Liedern und seine Art, eher für sich zu singen als eine Geschichte zu erzählen, machten aus dem Zyklus eine Folge einzelner Pretiosen. Wie frei Breslik seine Stimme strömen lassen kann, zeigte sich in zwei Zugaben in seiner slowakisch­en Mutterspra­che – doch die sind ja eigentlich nach den Zyklen verpönt!

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