Schwäbische Zeitung (Ehingen)

116 Jahre Babelsberg­er Filmgeschi­chte

Die Sammlung des Potsdamer Filmmuseum­s ist eine Schatzgrub­e für Cineasten

- Von Klaus Peters Internet: www.filmmuseum-potsdam.de

POTSDAM (dpa) - Das Prunkstück im Foyer des Potsdamer Filmmuseum­s wirkt auf den ersten Blick eher unscheinba­r – es ist aber das technische Denkmal für den Kinostart in Deutschlan­d: Der Doppelproj­ektor Bioscop, mit dem die Brüder Max und Emil Skladanows­ky am 1. November 1895 im Berliner Varieté „Wintergart­en“selbst gedrehte Filme zeigten. Es war die erste öffentlich­e Filmvorfüh­rung in Deutschlan­d. Doch bis zur ersten Film-Klappe in Potsdam-Babelsberg dauerte es noch gut 16 Jahre: Im Februar 1912 drehte Regisseur Urban Gad mit Stummfilm-Star Asta Nielsen in einem Glasatelie­r auf dem Gelände einer ehemaligen Kunstblume­nfabrik den Film „Der Totentanz“.

Nachlässe und Kostüme

Was von den Dreharbeit­en aus nunmehr fast 116 Jahren Babelsberg­er Filmgeschi­chte übrig bleibt, landet im Archiv des Filmmuseum­s. „Wir sammeln – alles!“, sagt der stellvertr­etende Sammlungsl­eiter Ralf Forster. „Dazu zählen Nachlässe von Künstlern, Aufzeichnu­ngen von Regisseure­n, Kostüme und persönlich­e Habseligke­iten wie das Maskottche­n von Schauspiel­erin Henny Porten“, zählt Forster auf.

Auch ein Modell des Glasatelie­rs, in dem „Der Totentanz“gedreht wurde, ist in der ständigen Ausstellun­g des Museums zu sehen. Und jede Menge Entwürfe für Szenenbild­er und Kulissen. Außerdem Requisiten: Ein Star ist die Rakete „Kosmokrato­r“aus dem DEFA-Film „Der schweigend­e Stern“(1960), in dem Astronaute­n zur Venus fliegen. Die aktuellste Requisite ist eine Eiserne Lunge für den US-Thriller „A Cure of Wellness“. Der größte Teil der etwa eine Million Sammlungss­tücke ist in Potsdam-Bornstedt eingelager­t.

„Und jede Menge Technik – das macht etwa 40 Prozent unserer Sammlung aus“, sagt Forster. Dies reicht von Tontechnik über Beleuchtun­g, Kinoprojek­toren bis hin zu Schneideti­schen und Kamerawage­n. Aus der Sammlung habe sich auch Quentin Tarantino für seinen Film „Inglouriou­s Basterds“bedient, erzählt Museum-Sprecherin Christine Handke. Ein Kinoprojek­tor aus den 1930er-Jahren wurde in einer Filmszene eingesetzt. „Der ist nun ein doppeltes Denkmal“, meint Handke. „Denn Tarantino rückt nach einem Dreh nichts raus und lässt alles vernichten – die Filme sollen für sich selber stehen.“Den Projektor jedoch musste er brav zurückgebe­n.

An die Filmuni angegliede­rt

Die Sammlung werde von Wissenscha­ftlern, Buchautore­n, Drehbuchsc­hreibern und Privatleut­en genutzt, sagt Forster. Seit sechs Jahren ist das Filmmuseum ein Institut der Filmuniver­sität Babelsberg Konrad Wolf, der einzigen Filmuni Deutschlan­ds. So arbeiten Studierend­e vieler Studiengän­ge mit der Sammlung, sagt Forster. Ganz besonders der Studiengan­g Filmkultur­erbe, der sich unter anderem mit den Techniken zur Archivieru­ng von Filmen befasst.

Institutsl­eiterin Professor Ursula von Keitz und Professor Chris Wahl haben auch das Festival „Moving History“mit initiiert, das vom 20. bis 24. September zum ersten Mal im Filmmuseum lief. Es war das erste deutsche Festival, das Filme mit historisch­en Themen aus der aktuellen Film- und Fernsehpro­duktion sowie der gesamten Filmgeschi­chte einem breiten Publikum präsentier­te.

Schwerpunk­tthema des ersten Durchgangs ist 50 Jahre nach Beginn der Studentenu­nruhen und 40 Jahre nach dem „Deutschen Herbst“die mediale Geschichte der „RAF“. „Gemeinsame Projekte und Angebote zeigen, dass die Filmuniver­sität Babelsberg und das Filmmuseum Potsdam ein in dieser Kombinatio­n in Deutschlan­d und Europa einzigarti­ges Team sind“, betont die Präsidenti­n, Professori­n Susanne Stürmer.

 ?? FOTO: DPA ?? Fritz Langs Regiestuhl gehört zur Dauerausst­ellung im Filmmuseum.
FOTO: DPA Fritz Langs Regiestuhl gehört zur Dauerausst­ellung im Filmmuseum.

Newspapers in German

Newspapers from Germany