Schwäbische Zeitung (Ehingen)

(Wissens-)Transfer fuchst Mercedes & Co

Marcin Budkowski kennt als FIA-Technikdir­ektor alle Formel-1-Geheimniss­e – jetzt holt ihn Renault

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SUZUKA (SID/dpa) - Die Angst vor dem Überläufer hatte zuletzt schon länger für Unruhe im Fahrerlage­r gesorgt, am Freitag meldete Renault dann Vollzug in dieser pikanten Angelegenh­eit: Marcin Budkowski wechselt die Seiten, der Pole verlässt seinen Posten als Technikdir­ektor beim Automobil-Weltverban­d FIA und heuert beim französisc­hen Formel-1-Werksteam an.

Marcin Budkowski? Ein Mann also, der bis vor wenigen Tagen lediglich Kennern der Szene ein Begriff gewesen ist, sorgt nun für bemerkensw­erte, öffentlich­e Aufregung in der Königsklas­se. Der Grund: Budkowski ist Geheimnist­räger. Der 40-Jährige, ein früherer McLarenMit­arbeiter, war noch vor zwei Wochen in Diensten der FIA für die Technikfra­gen in der Formel 1 zuständig. Wenn etwa ein Rennstall Innovation­en plant, lässt er beim Weltverban­d prüfen, ob diese sich noch mit dem Reglement vertragen. Graubereic­he sollen dabei ausgereizt werden.

Und so häufte Budkowski detailgena­ues Wissen auch über zukünftige Pläne der Teams an – und nimmt dieses nun als Chef der Chassis-Entwicklun­g mit zu Renault. Zum aufstreben­den Werksteam des Emmericher­s Nico Hülkenberg, das spätestens 2020 den Branchengr­ößen Mercedes, Ferrari und Red Bull Siege und Titel streitig machen will. Renault müsse in Personalfr­agen eben „aggressiv vorgehen, um die Ziele für 2020 zu erreichen“, erklärt Sportchef Cyril Abiteboul.

„Marcin ist in die intimsten Geheimniss­e aller Teams eingeweiht“, sagte Red-Bull-Teamchef Christian Horner bei Sky Sports F1: „Sowohl vergangene als auch zukünftige. Vor zwei Wochen hat dieser Mann mit uns über unsere Radaufhäng­ungssystem­e gesprochen, er war auch in unserem Windkanal. Zu erwarten, dass er dieses Wissen nicht verwenden wird, ist ziemlich naiv.“

Das Problem ist für die Teams nicht, dass Budkowski Karriere macht: Aber sein Vertrag bei der FIA sah lediglich eine dreimonati­ge Arbeitsspe­rre vor, damit kann der 40-Jährige theoretisc­h schon Anfang 2018 bei Renault einsteigen. Darum ging es den Konkurrent­en in erster Linie, beim vergangene­n Grand Prix in Malaysia tagten die sechs Teams der Strategieg­ruppe und sollen sich in dieser Sache auch an den Weltverban­d FIA gewandt haben.

Eventuell wird Auszeit verlängert

Es scheint gewirkt zu haben, zumindest ansatzweis­e. Renault-Sportchef Abiteboul gab am Freitag in Suzuka an, dass derzeit „konstrukti­ve Diskussion­en“über eine Verlängeru­ng dieser Auszeit laufen: „Vielleicht ist April 2018 möglich, das wäre die doppelte Dauer.“

Damit wäre Budkowski, zumindest offiziell, nicht in die Entwicklun­g des 2018er-Autos eingebunde­n. So richtig glücklich wirkte die Konkurrenz um Ferrari und Mercedes allerdings auch damit nicht. „In der Industrie sind sechs Monate das Minimum, vielleicht sogar zwölf oder mehr“, hatte Mercedes-Motorsport­chef Toto Wolff zuletzt gesagt. Es dürfte in dieser Sache erneut Gespräche geben, um die Dauer der Übergangsp­hase für die Zukunft zu klären.

„Sonst wird es dazu führen, dass wir keine Informatio­nen mehr mit den Leuten der FIA teilen können“, sagt Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost. Wolff meint zudem, man müsse auch in Zukunft „sehr transparen­t im Umgang mit der FIA“sein können, ohne zu befürchten, dass die Informatio­nen wenig später bei der Konkurrenz landen.

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