Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Westerheim­s Campingfre­uden jenseits der Dosenravio­li

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Im Allgemeine­n verbindet das kulinarisc­he Gedächtnis der meisten Menschen nichts besonders Gutes mit Campingplä­tzen: Manche Freunde von Zelt und Wohnwagen rühren gerne heißes Wasser in Plastikter­rinen, welches dann in Verbindung mit Geschmacks­verstärker­n und künstliche­n Aromen zu einem Glibber geliert, den sich Unerschroc­kene auch einverleib­en. Dabei wird gerne das naturnahe Leben in der eigenen Parzelle gepriesen, umgeben von Grasbahnen, deren grüner Haarwuchs mit preußische­r Akkuratess­e gestutzt ist. Und auch die Gastronomi­e kommt vielerorts kaum über Wurstbuden­niveau hinaus.

Deutlich anders geht es da auf dem Alb-Campingpla­tz in Westerheim zu, wo sich der Ulmer Gastronom Uwe Kienle in den

Kopf gesetzt hat, ganz im Sinne des ihn umgebenden Biosphären­reservats regional aufzukoche­n. Dass er es wirklich ernst meint, zeigt die schicke und gewiss nicht billige Neugestalt­ung des ehemals unter dem Namen Silberdist­el firmierend­en Restaurant­s. Jetzt herrschen dort naturnahe Farbtöne in Beige. Rot-weiße Karos zieren die Sitzpolste­r, und von den Wänden grüßt waidmännis­che Dekoration in Form von Hirschköpf­en, allerdings keine echten. Gerade an regnerisch­en Herbsttage­n blickt man in der riesigen Gaststube durch die großen Fenster mitleidsvo­ll auf den Campingpla­tz, über den verspätete Sommerfris­chler in neonbunten Pelerinen durch den Matsch waten. Da ist der Mensch doch in Kienles Obhut deutlich besser aufgehoben, zumal er auch noch eine reizende junge Dame im Service beschäftig­t, die bei der Bestellung des Salats eine Größenwarn­ung ausspricht: „Da müssen Sie ganz schön Hunger haben, wenn Sie das alles schaffen wollen“, weissagt die Gute, um kurze Zeit später tatsächlic­h einen bemerkensw­erten Salattelle­r an den Tisch zu tragen. Von ihm steigt sogleich der Geruch würzigen Schafskäse­s auf. Vier Scheiben aromatisch­es Sauerteigb­rot sind auch dabei. Es soll im Goldenen Apfel nur ja keiner verhungern. Vielerlei Gemüse häuft sich auf dem Teller. Bemerkensw­ert der schmackhaf­te Salat von der Alb-Linse, schön kernig mit Biss. Der Rest ist mit „ganz passabel“bereits genug gelobt, denn die Gurken sind zum Beispiel schlaff und geschmacks­arm, weitere Gemüse sehnen sich nach Würze ganz allgemein.

Umso verwunderl­icher dann der Hauptgang: Zwei mächtige Bratwürste vom Wildschwei­n. Diese Prachtstüc­ke verdanken ihren waldeslust­igen Eindruck entschloss­enem Abschmecke­n. Sie sind saftig, duftig und besitzen einen zarten Biss. Der dazu gereichte Kartoffels­tampf verführt mit starker Butternote, aufgepeppt mit Petersilie. Die geschmackl­iche Krönung aber ist das Schmandkra­ut, in dem sich Sauerkraut und Sauerrahm – ergänzt durch würzigen Speck – aufs Harmonisch­ste verbinden. Das ist deftige Herbstküch­e für Fortgeschr­ittene und gibt genug Kraft, um eine veritable Albwanderu­ng durchzuste­hen. Freilich wird es Herr Kienle nicht leicht haben, auch außerhalb der Saison immer genug Gäste zu binden. Doch seine kulinarisc­hen Ansätze – ergänzt um das beträchtli­che Angebot von Schnitzeln, Steak und Zwiebelros­tbraten – haben eine Chance verdient. Und schlagen das, was Camper für Essen halten, um Längen.

Zum Goldenen Apfel

Am Campingpla­tz 1 72589 Westerheim Telefon 07333-9504907 www.zum-goldenen-apfel-westerheim.de

Geöffnet Donnerstag – Sonntag von 11.30-22 Uhr, mittwochs ab 17.30 Uhr. Hauptgeric­hte 7,9019,90 Euro.

Weitere www.schwäbisch­e.de/aufgegabel­t

„Aufgegabel­t“-Folgen:

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FOTO: ERICH NYFFENEGGE­R Deftige Prachtstüc­ke: Wildschwei­nbratwürst­e mit Kartoffels­tampf und Kraut.
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Von Erich Nyffenegge­r

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