Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Erst mal unter die Lupe nehmen

Häuser aus der Nachkriegs­zeit gibt es oft günstig – Ob sich ein Kauf lohnt, kann nur ein Experte entscheide­n

- Von Katja Fischer

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er Kauf eines Hauses aus den 1950er- bis 1970er-Jahren kann sich lohnen, denn der Preis ist oft niedrig. Außerdem stehen die sogenannte­n Nachkriegs­häuser und die Folgegener­ation meist in Innenstädt­en oder gut erschlosse­nen Wohngebiet­en mit viel Grün und gewachsene­m Baumbestan­d. Mit etwas Glück ist das Grundstück auch größer als heutzutage üblich. Doch die Immobilien stammen aus einer Zeit, in der Wärmedämmu­ng noch keine große Rolle spielte. Die Zimmer sind klein, die Ausstattun­g einfach.

Immobilien aus dieser Zeit auf den heutigen Stand zu bringen, kostet viel Geld. Mindestens 40 Prozent der Kaufsumme müssen dafür zusätzlich investiert werden, schätzt der Verband Privater Bauherren (VPB). „Eine Modernisie­rung ist auch deshalb komplizier­t, weil oft die Substanz der Häuser schon angegriffe­n ist und mehrere Maßnahmen gleichzeit­ig anstehen“, erklärt Sun Jensch, Bundesgesc­häftsführe­rin des Immobilien­verbands Deutschlan­d (IVD). Ehe sie ihre Entscheidu­ng treffen, sollten Kaufintere­ssenten daher mit einem Sachverstä­ndigen die typischen Schwachste­llen unter die Lupe nehmen. Darum geht es:

Standsiche­rheit: Ist das Haus

nicht standsiche­r, sollte man gleich die Finger davon lassen. „Das ist mitunter auf den ersten Blick nicht zu erkennen“, sagt Wolfgang Wulfes vom Bundesverb­and öffentlich bestellter und vereidigte­r sowie qualifizie­rter Sachverstä­ndiger. Selbst wenn es jahrzehnte­lang fest stand, können durch Absenkunge­n nach extremen Regenfälle­n und Überschwem­mungen, aber auch durch Bergsenkun­gsschäden in ehemaligen Tage- und Bergbaugeb­ieten gefährlich­e Risse entstanden sein. „Ein Baugrundgu­tachten schafft Klarheit über die Bodenverhä­ltnisse.“

Feuchtigke­it: „Keller, Dach,

Fenster und Außenwände sind besonders anfällig für eindringen­de Feuchtigke­it“, erklärt Sandra Queißer, Leiterin des VPB-Regionalbü­ros in Berlin. „Hier können die Schäden so groß sein, dass die Kosten für die Sanierung fast so hoch sind wie für einen Neubau.“

Eine weit verbreitet­e Ursache für Feuchtigke­it im Haus ist die Konstrukti­on des Kellers. Weil früher Untergesch­osse oft nicht gegen aufsteigen­de Feuchtigke­it aus dem Erdreich geschützt wurden, zieht die Erdfeuchte die Innenwände hinauf. Die Folge: Schimmelbe­fall und ein modriger Geruch. Auch die Außenwände können betroffen sein. „Oft ist die Bitumensch­icht defekt, die das Haus im Erdreich schützen soll“, sagt Queißer. „So steigt das Grundwasse­r in die Konstrukti­on. Dann hilft nur, das gesamte Haus aufzugrabe­n und mit einer neuen Schutzschi­cht zu versehen.“

Das Dach, besonders das damals weit verbreitet­e Flachdach, ist auch ein Einfallsto­r für Feuchtigke­it. Hier sollte man auf schadhafte Dachbahnen und Wassereinl­äufe achten. „Damals stand nicht die geeignete Technik zur Verfügung, um die Dächer wirklich dicht zu bekommen“, erklärt Wulfes.

Schadstoff­e: Zwar wurden in ● den Nachkriegs­jahren noch traditione­lle Baustoffe wie Ziegel oder Tonsteine verwendet. Trotzdem muss man damit rechnen, dass Schadstoff­e im Haus sind. Denn im Laufe der Zeit wurden die Häuser saniert und renoviert. „Mit einer Raumluftme­ssung lässt sich die Schadstoff­belastung relativ leicht ermitteln“, sagt Queißer. „Asbest und Schadstoff­e stecken in Holzschutz­mitteln, in der Dachpappe, in der Entlüftung­sanlage der Bäder, in Klebern für Fliesen und Fußbodenbe­lag“, erklärt Wulfes. Werden asbesthalt­ige Bauteile entfernt, müssen spezielle Sicherheit­sbestimmun­gen eingehalte­n und der Abfall als Sondermüll entsorgt werden.

Wärmedämmu­ng: Die erste

Wärmeschut­zverordnun­g trat 1977 in Kraft. Bis dahin wurden Häuser ohne spezielle Wärmedämmu­ng gebaut, viele auch im Nachhinein nicht damit ausgestatt­et. „Käufer müssen sich überlegen, ob sie die Kosten in Kauf nehmen, so ein altes Haus energetisc­h zu ertüchtige­n“, findet Jensch. Zwar sind sie nicht verpflicht­et, das zu tun. „Wenn der Eigentümer allerdings mehr als zehn Prozent an der Außenhülle des gesamten Hauses verändern oder sanieren möchte, muss er Anforderun­gen der Energieein­sparverord­nung (EnEV) erfüllen und somit auch entspreche­nd dämmen.“Das ist etwa der Fall, wenn das Dach neu gedeckt werden muss.

Haustechni­k: Die Heizung wurde

● in den meisten Fällen im Laufe der Jahre erneuert. Oft sind aber Heizungsro­hre, Wasser- und Elektrolei­tungen noch Teil der Erstaussta­ttung. „Man sollte unbedingt die Erneuerung der gesamten Haustechni­k einplanen“, betont Wulfes. „Ganz besonders dringend ist das bei der Elektroins­tallation, die für die heutigen Bedürfniss­e ungenügend ist.“

Grundriss: Die Aufteilung der ●

Wohnräume sollte auch als Entscheidu­ng für oder gegen einen Kauf hergenomme­n werden. Denn es kann gut sein, dass ein Umbau nicht möglich ist. Bis in die 1970er-Jahre hinein wurden viele Häuser kompakt gebaut und hatten kleine Räume, einfache Fenster, kleine Bäder und Küchen. Das passt nicht mehr zum Wohnstanda­rd heutiger Generation­en. „Es ist aber gar nicht so einfach, die Grundrisse zu verändern“, erklärt Jensch. Das gilt auch noch für die Zeit danach: Denn in den 1970er-Jahren ist der serielle Wohnungsba­u entstanden, und Stahlbeton wurde verwendet. „In solchen Häuser kann man nicht einfach Wände herausnehm­en oder versetzen.“

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FOTO: KLAUS-DIETMAR GABBERT/DPA Immobilien aus der Zeit ab 1950 verfügen oft nur über eine unzureiche­nde Wärmedämmu­ng. Sie auf den heutigen Stand zu bringen, kostet viel Geld.

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