„Wie macht man zu dritt einen Film?“
Achim von Borries, Hendrik Handloegten und Tom Tykwer über „Babylon Berlin“- Ein Werkstattgespräch
BERLIN - Drei Regisseure, eine Fernsehserie in 16 Folgen von 12 Stunden Gesamtlänge, die die Filmemacher selber als einen einzigen langen Kinofilm ansehen. Aber wie macht man überhaupt zu dritt einen Film? Offenbar sehr kollegial. Denn Achim von Borries, Hendrik Handloegten und Tom Tykwer, geben auch die Interviews nur gemeinsam. Beim Gespräch mit Rüdiger Suchsland geht es dabei manchmal wild durcheinander und der eine führt den Satz des anderen zu Ende.
Beginnen wir mit der legendären Frage von François Truffaut: Wie haben Sie das gemacht?
Tom Tykwer: Ich hatte vielleicht einen kleinen Vorsprung, weil ich bei „Cloud Atlas“bereits zu dritt einen Film gemacht hatte. Ich glaube einfach unglaublich stark an die Dreierkonstellation.
Achim von Borries: Wir haben erstmal drei Jahre zusammengesessen. Wir haben die Serie entwickelt, geschrieben, zum Teil gemeinsam in demselben Raum. Da schreibt dann einer das erste Drittel einer Episode, die man zusammen entworfen hat, ein zweiter das zweite und so weiter. Sobald man durch ist, wird getauscht. Immer wieder. Irgendwann waren wir auch zu dritt in einem einzigen Modus: Wir dachten und wir sprachen wie einer. Dann kamen wir mit unserem Team zusammen. Die haben das zunächst einmal als unfassbare Kakophonie empfunden.
Hendrick Handloegten: Der Dreh ging so ähnlich weiter. Wir haben die Dreharbeiten in Blöcke aufgeteilt, und in der Zeit dazwischen haben wir schon geschnitten. Dann kamen wir im Schneideraum mit unseren drei Editoren zusammen.
Borries: Wieder im Wechsel. Und dann haben wir auch die Schneideräume getauscht. Handloegten: Wir haben keine Episoden, sondern Locations gedreht. Ein Raum wurde einmal aufgebaut, fand dann Verwendung in Folge 5, 7, 11 und 16. Das wurde dann komplett abgedreht. Das heißt, wir haben zu dritt einen Film gedreht. Filmarbeit ist sowieso Teamarbeit, aber dass mehrere Regisseure einen Film machen, gibt es nur äußerst selten.
Es wird zu einem Problem, den Überblick über den Stoff zu behalten, aber dem auch einen einheitlichem Stil zu verleihen ...
Tom Tykwer: Die Zeit, in der man drüber spricht, auch darüber streitet, ist genauso wichtig, wie die, in der man schneidet. Es braucht so viel Reflexion, soviel inhaltliche Auseinandersetzung! Es ist verrückt, wenn man sich klar macht, dass die Postproduktion heute wie eine Fertigungsfabrik durchgeplant wird. Dadurch entstehen Zeitfenster, die eingehalten werden müssen. Aber gleichzeitig ist der Filmschnitt ein so irrer, so erfindungsreicher Vorgang. Und darum geht es ja eigentlich: Man muss herausfinden, was man wirklich will, weil man im Schnitt den Film nochmal neu schreibt.
„Babylon Berlin“spielt im Berlin des Jahres 1929, in der Weimarer Republik. Es gibt die Weltwirtschaftskrise, politische Verschwörungen, den kulturellen Aufbruch der Moderne der 1920er-Jahre. Was macht diese Epoche aus heutiger Sicht so aktuell, dass sie wie ein ferner Spiegel unserer Gegenwart wirkt?
Handloegten: Der Gewiefteste, der Skrupelloseste, der Virtuoseste hat sich damals durchgesetzt. Die Hauptfiguren des Films sind Überlebenskämpfer.
Tykwer: Es war am Anfang ein bisschen beängstigend. Wir spürten eine starke Welle des Interesses an dieser Zeit. Der Stoff von Volker Kutscher erzählt von dem nagenden Näherkommen einer Gefahr. So wird uns bewusst gemacht, an welcher Stelle wir uns gerade befinden. Borries: „Babylon Berlin“soll keine Lehrstunde sein, sondern eine spannende Handlung vor historischem Hintergrund erzählen. Wir wollen unsere Figuren nicht moralisch bewerten, wir wollen ihr Handeln nicht permanent kommentieren. Aber im Idealfall vergisst man den historischen Abstand und erkennt die Nähe zum Heute. Handloegten: Unsere Geschichte von der Verschwörung der Reichswehr und der Großindustrie zur illegalen Wiederaufrüstung Deutschlands ist historisch fundiert und hat eine politische Dimension. Der Zuschauer von heute wird mitdenken, dass die Schläfrigkeit des Establishments etwas mit uns zu tun hat. Damals hat man den „böhmischen Gefreiten“Hitler unterschätzt, heute unterschätzen wir vielleicht Figuren wie Trump und Gauland.