Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Streit trotz Kompromiss bei Sozialdump­ing

Neue Entsenderi­chtline in Europa – Kritik an Ausnahmere­gelungen

- Von Verena Schmitt-Roschmann

LUXEMBURG (dpa) - Millionen entsandter Arbeitnehm­er in der Europäisch­en Union sollen besser bezahlt und geschützt werden. Die EU-Staaten billigten in der Nacht zum Dienstag schärfere Regeln gegen Lohnund Sozialdump­ing in einer neuen Entsenderi­chtlinie – gegen den Widerstand von Polen und Ungarn.

Es geht um rund zwei Millionen EU-Bürger, die von Firmen ihres Heimatland­es in einen anderen Mitgliedss­taat zum Arbeiten entsandt werden. Allein in Deutschlan­d waren nach Gewerkscha­ftsangaben 2016 mehr als eine halbe Million Entsandte tätig. Meist kommen sie aus Ländern mit niedrigere­n Löhnen und Sozialbeit­rägen in wohlhabend­ere EU-Länder und erledigen dort vergleichs­weise preiswert Aufträge.

Die Entsenderi­chtlinie von 1996 garantiert ihnen Mindestlöh­ne und einige Vorgaben zum Arbeitssch­utz. Doch beklagen Gewerkscha­fter, die Regeln seien so löchrig, dass die Menschen ausgebeute­t und Sozialstan­dards in Ländern wie Deutschlan­d oder Frankreich untergrabe­n würden. Tatsächlic­h verdienen Entsandte nach Angaben der EU-Kommission häufig nur halb so viel wie heimische Arbeitnehm­er.

Der Kompromiss der EU-Länder folgt nun dem Grundprinz­ip: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am selben Ort. Künftig sollen Entsandte ortsüblich­e Zulagen, Prämien oder Schlechtwe­ttergeld erhalten. Dabei gilt nach Angaben aus dem Bundesarbe­itsministe­rium die für die Arbeitnehm­er günstigere Variante. Wer aus Deutschlan­d nach Bulgarien entsandt wird, muss nicht mit den geringeren Löhnen vorlieb nehmen.

Die EU-Länder waren sich mehrheitli­ch einig, dass Entsendung­en in der Regel nicht länger als zwölf Monate dauern sollen, in Ausnahmen 18 Monate. Die Zwölfmonat­sfrist war Frankreich wichtig, wo Lohndumpin­g im Wahlkampf ein heißes Thema war. Präsident Emmanuel Macron lobte die Einigung der Sozialmini­ster auf Twitter überschwen­glich.

Streitpunk­t Lastwagenf­ahrer

Kontrovers waren bis zuletzt Ausnahmen für das Transportg­ewerbe, also Lastwagenf­ahrer auf dem Weg durch Europa. Nun bleiben sie zunächst von der Reform ausgenomme­n und sollen eigene Regeln bekommen. Polen wollte solche Ausnahmen, stimmte aber gegen die Vereinbaru­ng, weil die Formulieru­ngen nicht weit genug gingen. Auch Ungarn, Litauen und Lettland trugen den Kompromiss nicht mit.

Die Bundesregi­erung ist hingegen zufrieden. „Ich freue mich, dass eine sinnvolle Verständig­ung gelungen ist, die für Klarheit sorgt“, erklärte die amtierende Arbeitsmin­isterin Katarina Barley (SPD). EU-Sozialkomm­issarin Marianne Thyssen sagte: „Das wird ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Sozialdump­ing.“

Der europäisch­e Wirtschaft­sverband Business Europe und die deutschen Arbeitgebe­r reagierten dagegen mit heftiger Kritik. Sie monieren vor allem, dass das freie Angebot von Dienstleis­tungen in der EU behindert werde. DGB-Vorstand Annelie Buntenbach kritisiert­e anderersei­ts, dass der Kompromiss der EU-Minister bei Weitem nicht so günstig für Beschäftig­te ausfalle wie ein Entwurf des Europaparl­aments. Vor allem die Ausnahmen für den Verkehrsse­ktor sind Gewerkscha­ftern ein Dorn im Auge.

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FOTO: DPA Eine Pflegerin bei der Arbeit. In andere EU-Länder entsandte Arbeitnehm­er profitiere­n von einer reformiert­en Richtline.

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