Druck auf Seehofer wächst
Junge Union Bayern fordert Rücktritt des CSU-Chefs
BERLIN (AFP) - Mitten in den Sondierungen über eine Jamaika-Koalition spitzt sich in der CSU der Streit um die Zukunft von Parteichef Horst Seehofer zu. Die bayerische Junge Union (JU) forderte am Wochenende den Rücktritt Seehofers. Bayerns Ministerpräsident kritisierte das „ununterbrochene Trommelfeuer“gegen ihn als „schädlich“. Seehofer steht nach dem schlechten CSU-Ergebnis bei der Bundestagswahl unter Druck. 2018 wird in Bayern gewählt.
„Für einen Erfolg bei der Landtagswahl braucht es einen glaubwürdigen personellen Neuanfang“, heißt es in einer auf der Landesversammlung der JU beschlossenen Erklärung. Die CSU hatte am 24. September nur 38,8 Prozent der Stimmen erreicht. Die Partei befürchtet nun bei der Landtagswahl den Verlust ihrer absoluten Mehrheit. Derzeit liegt die CSU laut einer im Auftrag der „Bild“Zeitung erstellten Insa-Umfrage sogar nur bei 37 Prozent.
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MÜNCHEN - Bayerns Junge Union hat den Generationswechsel an der Spitze der Staatsregierung eingefordert. CSU-Chef Horst Seehofer hatte einen Auftritt vor dem Partei-Nachwuchs am Freitag kurzfristig absagt.
Politische Machtkämpfe werden meistens durch den längeren Atem und die besseren Nerven entschieden. Seehofer hat am Wochenende gezeigt, dass es ihm daran mangelt. Die Personaldebatte in seiner Partei ist wohl nicht mehr zu stoppen.
Nach der mit 38,8 Prozent für CSU-Verhältnisse verheerenden Bundestagswahl war es Seehofer anfangs gelungen, den Deckel auf dem Topf zu halten. Über Personalien, sagte er, werde erst gesprochen, wenn die Berliner Jamaika-Koalition in trockenen Tüchern ist. Diese Aussprache sollte frühestens auf dem CSU-Parteitag, der ursprünglich für den November terminiert war, stattfinden. Eine Vertagung in den Dezember, die als letzte Fristverlängerung für den Vorsitzenden verstanden wurde, ließ sich die Basis noch bieten.
Seehofer kokettierte zwar seit Jahren mit dem Gedanken, das Zepter abzugeben, aber in Wahrheit, so die Überzeugung des Parteivolks, wolle er zur Landtagswahl im Herbst 2018 erneut den Spitzenkandidaten geben. Mit seiner Weigerung, die historische Wahlschlappe als Signal für einen geordneten Rückzug zu begreifen, lief die Angelegenheit für den Parteichef aus dem Ruder. Enttäuschte trafen sich in Hinterzimmern, um die Wachablösung einzuleiten.
Markus Blume, immerhin stellvertretender Generalsekretär der CSU, sprach nach einer solchen Kungelrunde der Partei-Prominenz des Münchner CSU-Bezirks sogar von „Hinterhalt“. Nach Querschüssen aus dem zweiten Glied meldete sich auch die alte Garde zu Wort. Peter Gauweiler, einst Musterschüler von Partei-Übervater Franz Josef Strauß, forderte via „Süddeutsche
Zeitung“ein rasches Ende: „Horst, es ist Zeit.“
Erwin Huber, der es nie verwunden hat, dass Seehofer seinem kurzen Zwischenspiel als CSU-Chef nach einer vergleichbar schlimmen Wahlniederlage ein brutales Ende bereitet hatte, stieß ins gleiche Horn, ebenfalls über die Presse: „Jeder muss wissen, dass er nicht unersetzlich ist“, teilte der 71-jährige Niederbayer seinem 68-jährigen Nachfolger mit.
Interessierter Zaungast
Bayerns Finanzminister Markus Söder, der mittlerweile als hoher Favorit für die Seehofer-Nachfolge gilt, verfolgt die Rückzugsgefechte bisher wie ein interessierter Zaungast. Der Franke genießt seine bundesweite Talkshow-Popularität, die ihm der Rivale fast kampflos überlassen hat – und schweigt vielsagend zur Gretchenfrage, ob er denn überhaupt Ministerpräsident werden wolle.
Damit zurück zu den besseren Nerven: Am Samstag, nach der Kampfansage aus der Jungen Union, platzte Seehofer derart der Kragen, dass er seinen Konkurrenten selbst ins Spiel brachte: „Am Sonntagvormittag haben sie ja einen Redner, den ich nicht verdrängen möchte – Sie kennen den Namen“, grummelte er am Rande der Berliner Koalitionsverhandlungen in die Mikrophone. Sonntagvormittag sprach also Söder zur JU-Landesversammlung – fast wie auf einer Krönungsmesse. Und getragen vom unmissverständlich formulierten Beschluss des Vortags: „Für einen Erfolg bei der Landtagswahl im kommenden Jahr braucht es einen glaubwürdigen personellen Neuanfang.“
Mit wem, wenn nicht mit Söder? Bayerns Innenminister Joachim Herrmann brachte es als CSU-Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl nicht einmal zu einem Mandat. Der Europaabgeordnete Manfred Weber, den Seehofer auch schon mal ins Nachfolgespiel gebracht hat, erstickt jeden Zweifel daran, dass er nicht zur Verfügung stehe.
Bleibt Seehofers Geheimwaffe Karl-Theodor von und zu Guttenberg, den der Parteichef selber schon ein „Glühwürmchen“nannte. Der nach Amerika abgetauchte Baron ist zu schlau, um zu glauben, dass ihm die Partei den Pfusch mit seiner Doktorarbeit schon verziehen hätte.
Mit Söder abgefunden
Aus der Landtagsfraktion schließlich, die den neuen Ministerpräsidenten wählen muss, kommen mittlerweile klare Signale, dass man sich dort mit Söder abgefunden hat – sogar die Oberbayern, die bei einem Franken gerne etwas fremdeln. Dass Seehofer seinen cleveren Finanzminister nicht nach Berlin zu den Koalitionsverhandlungen mitgenommen hat, wird so zum Bumerang. Denn die CSU-Musik spielte an diesem Wochenende nicht in der Hauptstadt, sondern im fränkischen Erlangen.
So wird Erlangen zum Heimspiel für Söder. Dass er den Chefposten will, muss er gar nicht sagen. Stattdessen lobt er die JU-Breitseite gegen den Amtsinhaber: „Ich habe großen Respekt davor, was ihr für Verantwortung zeigt, welchen Mut ihr habt, was ihr euch traut.“
Dem bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer bleibt da nur die „Bild“-Zeitung, um sich über „ununterbrochenes Trommelfeuer aus der eigenen Partei“zu beklagen . Sieger klingen anders.