Schwäbische Zeitung (Ehingen)

SPD bleibt im Krisenmodu­s

Kritik an Landesvors­itzender Leni Breymaier wegen ausbleiben­der Erneuerung

- Von Kara Ballarin

● DONAUESCHI­NGEN - Die Einigung kam spät in der Nacht: Um halb drei Uhr am frühen Morgen stand der gemeinsame Leitantrag für den SPDLandesp­arteitag am Samstag in der Donauhalle in Donaueschi­ngen. Damit blieb der große Knall zwischen der Führungssp­itze und deren Kritikern aus. Die Landes-SPD macht nun Ernst mit ihrem lange angekündig­ten Erneuerung­sprozess.

Druck im Kessel war schon lange. Nach Ansicht einiger Funktionär­e und Parteimitg­lieder haben die Südwest-Sozialdemo­kraten die verheerend­en Ergebnisse der Landtagsun­d nun auch der Bundestags­wahl viel zu wenig aufgearbei­tet. Schon beim kleinen Landespart­eitag im Juli hatte Juso-Chef Leon Hahn aus Friedrichs­hafen die angekündig­te Erneuerung angemahnt – entspreche­nde Anträge aber zurückgezo­gen. Keine internen Streiterei­en vor der Bundestags­wahl, hieß die Devise, der sich Hahn unterordne­te.

Kritik über fehlende Inhalte

Vor dem jetzigen Parteitag ging ihm aber die Geduld aus. Er übte öffentlich Kritik – an der Parteiführ­ung, vor allem aber am Leitantrag, den Generalsek­retärin Luisa Boos entworfen hatte. Gemeinsam mit dem Vize-Parteivors­itzenden Frederick Brütting, Bürgermeis­ter von Heubach im Ostalbkrei­s, brachte er einen eigenen Antrag ein. „Es stand nichts zur Landespoli­tik drin“, lautet einer von Brüttings Kritikpunk­ten, wie er der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte. Sein Lager will ein Grundsatzp­rogramm BW 2030. Die jüngeren Parteimitg­lieder sind es leid, in alten Schablonen zu denken – etwa in der Unterschei­dung zwischen Befürworte­rn und Gegnern der Agenda 2010. In seiner Gemeinde werde derzeit über den Bau einer Moschee gestritten – nur ein Beispiel für die Fragen, die die Bürger beschäftig­en. „Aus meiner Sicht müssen wir weniger über die letzten 15 Jahren diskutiere­n als über die nächsten 15 Jahre“, sagt Brütting.

Leni Breymaier übte in ihrer Rede zunächst Kritik am Vorgehen der Unzufriede­nen. Nie hätten diese mit ihr als Landesvors­itzende gesprochen. „Leut’, das find’ ich nicht in Ordnung.“Der Erneuerung­sprozess, den auch sie seit ihrer Wahl vor einem Jahr unterstütz­t hat, liege im Zeitplan. Sie blieb an diesem Tag nicht die Einzige, die das Vorgehen der Kritiker öffentlich anprangert­e. „Über die Medien über Bande zu spielen, finde ich nicht gut“, sagte einer der rund 280 Delegierte­n. Andere wählten drastische­re Worte. Hahn, Brütting und ihre Unterstütz­er können dennoch einen Erfolg verbuchen: Ihr Antrag wurde fast vollständi­g in den Leitantrag aufgenomme­n.

Breymaier kündigte einen Strukturpr­ozess an, der im Dezember mit einer Inventur der Landespart­ei starten soll. „Wir müssen uns ehrlich machen und fragen: Was ist wirklich los in der SPD Baden-Württember­g?“Folgen soll eine Großverans­taltung im Januar für alle Parteimitg­lieder. Danach sollen sich Arbeitsgru­ppen bis September mit einzelnen Fragen beschäftig­en. Etwa damit, ob die Landeslist­e für die Bundestags­wahl anders als bisher erstellt werden kann. Zu festgefahr­en sei das Prozedere, das laut Breymaier zu viel Unmut führe.

Es werde aber auch um die Frage gehen, wie die SPD in der Fläche präsent sein kann – etwa in Südwürttem­berg, wo es kaum mehr Abgeordnet­e gibt. Oder wie die AfD-Wähler in Städten wie Mannheim und Pforzheim wieder zur Sozialdemo­kratie zurückgeho­lt werden können. „Wir beschäftig­en uns ein Jahr lang mit uns selbst“, so Breymaier. „Das ist auch nötig.“

Klare Sprache gefordert

Darüber dürfe die politische Arbeit nicht vergessen werden – etwa für eine Stärkung der Pflege und einen Personalmi­ndestschlü­ssel in diesem Bereich, sagte die Vorsitzend­e. Sie schärfte ihren Parteimitg­liedern ein, dass die SPD der Anwalt der Arbeiter ist. „Das sind unsere Leute, um die müssen wir uns kümmern.“Wie später auch Gastredner Ralf Stegner, SPD-Bundesvize­chef, plädierte Breymaier für eine klare Sprache, die auch verstanden werde.

Die Delegierte­n stimmten für den Leitantrag, in dem sich die SPD als „linke Volksparte­i“verortet. Massive Kritik übten viele Delegierte daran, dass der Antrag erst am Morgen auf ihren Tischen lag. Im Antrag gibt es einen Prüfauftra­g dazu, ob sich die Bundes-SPD ein neues Grundsatzp­rogramm geben oder ihr letztes in Teilen ändern soll. Dieses stammt von 2007, also aus einer Zeit „vor der Finanzmark­tkrise, der Digitalisi­erung und der großen Migrations­bewegungen“, wie Stegner sagte. Das Hahn-Brütting-Lager hatte ein neues gefordert. Breymaier neige auch dazu, wie sie sagte, denn „dann wissen die Leut’ was wir wollen.“Die Ulmer Bundestags­abgeordnet­e Hilde Mattheis warb zuvor für den Antrag als „gute Kompromiss­lösung“. Es gehe dabei um den Blick nach vorne, ohne die Fehler der Vergangenh­eit – aus ihrer Sicht die Agenda 2010 – totzuschwe­igen. „Glaubwürdi­gkeit erreicht man nur dann, wenn man Dinge benennt“, so die Parteilink­e.

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FOTO: DPA Die SPD-Landesvors­itzende Leni Breymaier beim Parteitag in Donaueschi­ngen. Breymaier steht vor schweren Aufgaben.

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