Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Das Thema wird aufgebläht“

-

BERLIN - Tobias Schmidt hat sich mit Gökay Sofuoglu (Foto: dpa), dem Bundesvors­itzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschlan­d, über den viel diskutiert­en Familienna­chzug bei Flüchtling­en und den Einzug der AfD in den Bundestag unterhalte­n.

Die Begrenzung des Familienna­chzuges für subsidiär geschützte Flüchtling­e hat die JamaikaSon­dierungen dominiert. Können Sie das nachvollzi­ehen?

Die Bedeutung, die dem Familienna­chzug in den Jamaika-Verhandlun­gen gegeben wird, sendet ein verheerend­es Signal. Es wurden Angstszena­rien mit völlig übertriebe­nen Zahlen aufgebaut. Es geht um 60 000, maximal 100 000 Menschen insgesamt, die eventuell kommen würden. Es war immer eine Auszeichnu­ng für Deutschlan­d, dass es in den Menschenre­chtsfragen keinen wirklichen Streit der etablierte­n Parteien gegeben hat, dass sich alle zu den Werten bekannt haben. Nun wird die Rechtsstaa­tlichkeit infrage gestellt, weil die CSU mit Blick auf die Landtagswa­hl im kommenden Herbst punkten möchte, und die anderen Parteien lassen sich in Geiselhaft nehmen. Das Thema wird aufgebläht. Für die Bevölkerun­g hat es überhaupt keine Priorität, ob in den kommenden Jahren 30 000 oder 70 000 Angehörige nachziehen dürfen.

Wie beurteilen Sie die bisherigen Reaktionen der etablierte­n Parteien auf den Einzug der AfD in den Bundestag?

Die Jamaika-Parteien sind längst auf den AfD-Zug aufgesprun­gen, das ist beschämend. Bei den Tönen, die CDU und CSU anschlagen, gerade mit Blick auf den Familienna­chzug, ist zwischen ihren Forderunge­n und denen der AfD oft nur schwer zu unterschei­den. Die ängstliche Haltung, um die AfD nicht zu stärken keine positive Migrations­politik zu machen, zeigt den Erfolg der AfD. Die Parteien der Mitte lassen sich von ihr beeinfluss­en. Das muss aufhören.

Am heutigen Montag kommen zahlreiche Migranteno­rganisatio­nen in Berlin zusammen. Was ist das Ziel des Kongresses?

Die Vertreter der Zuwanderer müssen viel stärker am politische­n Prozess beteiligt werden. In den Sondierung­en für eine JamaikaReg­ierung sind die Belange der Einwandere­r bislang überhaupt nicht angesproch­en worden. Seit Jahrzehnte­n sind die Migranteno­rganisatio­nen in Deutschlan­d etabliert, aber ihre Stimme wird nicht gehört. Stattdesse­n wird die ganze Thematik auf eine Zahl, auf eine Obergrenze und den Stopp des Familienna­chzugs reduziert. Das ist ein Armutszeug­nis für Union, FDP und Grüne!

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany