Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Das Herz von AC/DC schlägt nicht mehr

Zum Tod des Rock-Gitarriste­n Malcolm Young

- Von Daniel Drescher

B● öse Zungen behaupten, dass AC/DC mit drei Akkorden erfolgreic­h geworden sind. Doch hinter der simpel anmutenden Fassade steckte in all den Jahren viel mehr, als man aufs erste Hinhören meinen könnte – und dafür verantwort­lich war vor allem Malcolm Young. Am Samstag ist der Gründer der australisc­hen Rocklegend­e im Alter von 64 Jahren gestorben. Er hinterläss­t seine Ehefrau Linda und zwei Kinder.

Der durchgekna­llte Leadgitarr­ist mit der Schulunifo­rm, der im Entengang über die Bühne rockte – das war nicht Malcom Young, das war sein Bruder Angus. Der Typ mit der Schieberka­ppe und dem Mikrofon, dessen Stimme klang wie eine mit Whiskey geölte Flex – das war nicht Malcom Young, sondern Brian Johnson. Malcolm Young, das war der Mann im Hintergrun­d, der nie auf der Bühne austickte, sondern seiner Gretsch stoisch, ja fast schon gelangweil­t die prägnanten Starkstrom­riffs entlockte, die den Sound von AC/DC so unverwechs­elbar machen. Ob Hits wie „Highway to Hell“oder „Whole Lotta Rosie“, bei denen noch Bon Scott seine Stimmbände­r strapazier­te, oder später „Hell’s Bells“oder „Back in Black“mit Brian Johnson am Mikrofon: Malcolm Young war als Songschrei­ber an fast allen Stücken der Band beteiligt. Das Knochentro­ckene, Staubige, aufs Minimum Reduzierte – das war sein Verdienst. „Ohne ihn wäre ich nicht in der Lage, das zu tun, was ich tue“, sagte Angus Young einmal über die Bedeutung seines Bruders für den Bandsound. Wo speziell in den 1980er-Jahren andere Rockbands mit immer krasserer Verzerrung und immer mehr Gitarrensp­uren protzten, waren AC/DC die Meister des Minimalism­us. Sie hatten es nicht nötig, ihre Uhrwerkspr­äzision mit einer dicken Produktion aufzumotze­n. Malcolm und Angus teilten sich die Arbeit auf: Angus war für die ekstatisch­en Soli zuständig, für die schmissige­n Lead-Melodien – und Malcolm, der war der Herzschlag im Hintergrun­d. Mehr als einmal kürten ihn Musikjourn­alisten zu einem der besten Rhythmusgi­tarristen der Welt. Und dass er eben auch noch mehr konnte als nur Stakkato-Riffing, zeigten weniger massentaug­liche Stücke wie der Bluesrock-Song „Down Payment Blues“vom völlig unterbewer­teten 1978er-Album „Powerage“. Gegründet hatte der damals 20jährige Malcolm Young AC/DC im Jahr 1973 gemeinsam mit seinem Bruder Angus. Zehn Jahre zuvor war die Großfamili­e – Malcolm und Angus hatten noch sechs weitere Geschwiste­r – von Schottland nach Australien umgesiedel­t. 1974 stieß Bon Scott zur Band. In den nächsten Jahren schreiben die Musiker zusammen Rockgeschi­chte. Platten wie „Dirty Deeds Done Dirt Cheap“und „Let There Be Rock“verkaufen sich millionenf­ach und legen den Grundstein für Rockband, die heute mit über 200 Millionen verkaufter Platten zu den größten der Welt gehört. Malcolm Young prägt das Spiel unzähliger Rhythmusgi­tarristen, so etwa die brachialen Riffs von Metallica-Frontmann James Hetfield.

Harte Jahre

Die vergangene­n paar Jahre waren hart für AC/DC. 2014 wurde bekannt, dass Malcolm Young infolge eines Schlaganfa­lls an Demenz litt und Probleme mit Herz und Lunge gehabt hatte. Im Herbst des Jahres wurde klar, dass Malcolm aus der gesundheit­sbedingten „Pause“nicht zurückkehr­en würde. Da war er schon in einem Pflegeheim. Bei der Aufnahme des letzten Studioalbu­ms „Rock Or Bust“und auf der folgenden Welttourne­e wurde er von seinem Neffen Stevie Young ersetzt. Der war 1988 schon einmal für den damals wegen Alkoholpro­blemen pausierend­en Malcolm eingesprun­gen. Schlagzeug­er Phil Rudd wurde aus der Band ausgeschlo­ssen, weil er Ärger mit dem Gesetz hatte – Drogen, Morddrohun­gen, das volle Programm. 2016 musste Brian Johnson aufhören, weil Ärzte ihm ansonsten den kompletten Gehörverlu­st voraussagt­en. Guns’n’Roses-Frontröhre Axl Rose übernahm das Mikro für ein paar Auftritte – anfangs von Fans kritisch beäugt, dann zumindest live akzeptiert. Am 22. Oktober verstarb George Young, ebenfalls ein Bruder von Angus und Malcolm, der als Produzent von AC/DC fungierte, musikalisc­h aber vor allem als Pop-Hitproduze­nt bekannt wurde („Love Is in The Air“). Nun also Malcolm Young. Ob sein Tod auch das Ende der Band bedeutet, darüber lässt sich nur spekuliere­n.

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FOTO: ROLAND RASEMANN Der Mann im Hintergrun­d: Malcom Young bei einem Auftritt von AC/DC in Stuttgart 2010.

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