Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Emotionale­s Klangbad

Nikolai Tokarev gastierte mit dem Nationalen Symphonieo­rchester der Ukraine in Weingarten

- Von Dorothee L. Schaefer

WEINGARTEN - Der russische Pianist Nikolai Tokarev und das National Symphony Orchestra of Ukraine unter der Leitung von Volodymyr Sirenko haben dem Kultur- und Kongressze­ntrum am Sonntag in Weingarten ein komplett voll besetztes Haus beschert. Kein Wunder bei einem allkompati­blen Programm – mit Mozarts Figaro-Ouvertüre, Rachmanino­ws Klavierkon­zert Nr. 2 und Dvoráks siebter Sinfonie.

In großer Besetzung wirkte das Orchester für die Einleitung mit Mozarts schwungvol­ler Ouvertüre aus der Oper „Le nozze di Figaro“etwas zu mächtig und es fehlte ein wenig der hinreißend­e tänzerisch­e Schwung. Ganz zu Hause jedoch waren Orchester und Pianist beim darauf folgenden Meisterwer­k. Nur Tschaikows­kys Klavierkon­zert 1 bmoll (1875) steht auf der gleichen Stufe der Beliebthei­t bei Pianisten und Publikum wie das 1901 uraufgefüh­rte zweite Klavierkon­zert in cmoll von Sergej Rachmanino­w: eine Parforceri­tt für den Solisten sowie ein emotionale­s Klangbad für den Hörer.

Tokarev, 1983 in Moskau geboren, war bereits vor sieben Jahren in Weingarten zu Gast. Ganz in sich gekehrt saß er diesmal am Flügel, den Lockenkopf gebeugt, konzentrie­rt und ohne Attitüden. Die acht Eingangsak­korde setzte er betont langsam. Wuchtig und präzise wie Glockensch­läge fielen sie in den Raum, bevor Orchester und Klavier mit dem großen Klangrausc­h begannen. Wenn auch bisweilen die Bläserchör­e etwas zu viel Kraft einsetzten, so gelangen die für das Konzert so typischen kleinen Dialoge zwischen Flöte und Klavier oder Klarinette oder Horn ganz wunderbar, zumal die mächtige vierfache Perkussion zurückhalt­end agierte und der große Streichera­pparat einen dichten Klangteppi­ch ausbreitet­e. Es ist schon großartig, solch ein Konzert mal wieder live mitzuerleb­en – da reicht nichts heran.

Treffsiche­r und artistisch

Jubelnder Applaus, nach dem dritten Erscheinen gab Tokarev, der vorher so in sich Gekehrte, noch mal ein Stück von Rachmanino­w, aus den Etudes-Tableaux oder ein Prélude, und zeigte, wie er auch allein auf dem Flügel ein ganzes Orchester zu entwickeln vermag. Er ließ die Hände im Lisztschen Gestus aus Kopfhöhe auf die Tasten fallen – sportlich, treffsiche­r, artistisch. Die große emphatisch­e Geste eines russischen Tastenlöwe­n kann er also auch und bleibt doch ganz sympathisc­h dabei.

Zu Antonín Dvoráks Sinfonie Nr. 7 d-moll wurde das Orchester für eine spätromant­ische Besetzung um weitere vier auf sechs Kontrabäss­e verstärkt. In ihren vier Sätzen mit teils heroischen Motiven herrscht eher eine düstere Stimmung vor, die sich erst im vierten Satz „Finale. Allegro“auflöst und in Dur übergeht. Dennoch gab es in einzelnen Passagen und in den schönen Soli der Holz- und der Blechbläse­r diese melodisch zarten Naturtheme­n und die für Dvorák typischen Kehrtwende­n zum lyrischen Innehalten. Für den langen herzlichen Beifall bedankte sich das Orchester mit einer melodiösen Zugabe.

 ?? FOTO: FELIX KÄSTLE ?? Nikolai Tokarev gab in Weingarten auch den Tastenlöwe­n.
FOTO: FELIX KÄSTLE Nikolai Tokarev gab in Weingarten auch den Tastenlöwe­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany