Als sich erstmals die Türchen der Adventskalender öffneten
Eine der bekanntesten Adventskalender-Ausgaben Deutschlands ist im Besitz des Oberdischinger Museumsvereins
● OBERDISCHINGEN - Heute öffnet es sich wieder, das erste Türchen in zahllosen Adventskalendern hier im Schwabenland und auf der ganzen Welt. Eine Ausgabe des wohl bekanntesten historischen Adventskalender der sogenannten „Stadtansicht“ist auch in Oberdischingen zuhause. Lange schlummerte der kleine Schatz aus Papier im Archiv des Museumsvereins. Als es dann wieder ans Tageslicht kam, wurde es prompt erkannt.
Bei der Spielzeugausstellung 2014 hatte Werner Kreitmeier, Vorsitzender des Oberdischinger Museumsvereins, das Kleinod auf Vordermann gebracht und der Öffentlichkeit präsentiert. Das Ausstellungsstück erregte die Aufmerksamkeit einer Besucherin, die sich daraufhin sofort bei Kreitmeier meldete, weil sie den Adventskalender „Stadtansicht“sofort erkannte. Die Besucherin erinnerte sich an einen Zeitungsartikel über den Verlag, der den Kalender hergestellt hat. Das Unternehmen Sellner ist heute noch aktiv und führt den historischen Adventskalender noch immer im Programm. „Den Zeitungsbericht bekamen wir von der damaligen Besucherin sogar zugeschickt“, berichtet Werner Kreitmeier. Das Exemplar des Museumsvereins entstammt der ersten 1946 veröffentlichten Kalenderserie.
Esther Gajek, eine deutsche Volkskundlerin und Germanistin, deren Arbeitsschwerpunkte auf der Erforschung der ideologischen Durchdringung des Weihnachtsfestes, hauptsächlich während des Nationalsozialismus liegt, sieht Gerhard Lang (1881–1974) als Erfinder des Adventskalenders. Das erste überhaupt gedruckte Exemplar verdankt seine Existenz den Kindheitserlebnissen des schwäbischen Pfarrersohnes aus Maulbronn. Dessen Mutter zeichnete 24 Kästchen auf einen Karton und nähte auf jedes ein „Wibele“(ein ursprünglich aus dem Städtchen Langenburg in Hohenlohe stammendes Süßgebäck aus Biskuitteig, Anm. d. Red.). Nach 1920 verbreiteten sich Kalender, deren Fensterchen man öffnen konnte. Hinter jedem Fensterchen war auf einer zweiten, angeklebten Papier- oder Pappschicht ein Bild zu sehen. Bis in die 1930er Jahre hinein genoss die lithografische Anstalt von Reichhold & Lang in München den Ruf, die kunstreichsten und fantasievollsten Werke auf diesem Gebiet herauszugeben. Lang stellte auch schon eine Art Schokoladen-Adventskalender her.
Nach Kriegsende druckte Richard Sellmer in Stuttgart 1946, mit Genehmigung der amerikanischen Besatzungsmacht, das erste Exemplar der „Stadtansicht“und startete damit den Erfolgszug des Adventskalenders, der bis heute ungebrochen ist. Auf einer Messe lernte Verleger Richard Sellmer dann einen Amerikaner kennen, den das in den USA bis dato noch unbekannte Produkt begeisterte. Mit diesem Mann gelangte der Adventskalender und die Begeisterung dafür über den Atlantik. Die Beliebtheit des Produkts war so groß, dass sich sogar die US-Amerikanischen Präsidenten Richard Nixon und Dwight D. Eisenhower mit dem Kalender „Stadtansicht“fotografieren ließen.