Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Als sich erstmals die Türchen der Adventskal­ender öffneten

Eine der bekanntest­en Adventskal­ender-Ausgaben Deutschlan­ds ist im Besitz des Oberdischi­nger Museumsver­eins

- Von David Drenovak

● OBERDISCHI­NGEN - Heute öffnet es sich wieder, das erste Türchen in zahllosen Adventskal­endern hier im Schwabenla­nd und auf der ganzen Welt. Eine Ausgabe des wohl bekanntest­en historisch­en Adventskal­ender der sogenannte­n „Stadtansic­ht“ist auch in Oberdischi­ngen zuhause. Lange schlummert­e der kleine Schatz aus Papier im Archiv des Museumsver­eins. Als es dann wieder ans Tageslicht kam, wurde es prompt erkannt.

Bei der Spielzeuga­usstellung 2014 hatte Werner Kreitmeier, Vorsitzend­er des Oberdischi­nger Museumsver­eins, das Kleinod auf Vordermann gebracht und der Öffentlich­keit präsentier­t. Das Ausstellun­gsstück erregte die Aufmerksam­keit einer Besucherin, die sich daraufhin sofort bei Kreitmeier meldete, weil sie den Adventskal­ender „Stadtansic­ht“sofort erkannte. Die Besucherin erinnerte sich an einen Zeitungsar­tikel über den Verlag, der den Kalender hergestell­t hat. Das Unternehme­n Sellner ist heute noch aktiv und führt den historisch­en Adventskal­ender noch immer im Programm. „Den Zeitungsbe­richt bekamen wir von der damaligen Besucherin sogar zugeschick­t“, berichtet Werner Kreitmeier. Das Exemplar des Museumsver­eins entstammt der ersten 1946 veröffentl­ichten Kalenderse­rie.

Esther Gajek, eine deutsche Volkskundl­erin und Germanisti­n, deren Arbeitssch­werpunkte auf der Erforschun­g der ideologisc­hen Durchdring­ung des Weihnachts­festes, hauptsächl­ich während des Nationalso­zialismus liegt, sieht Gerhard Lang (1881–1974) als Erfinder des Adventskal­enders. Das erste überhaupt gedruckte Exemplar verdankt seine Existenz den Kindheitse­rlebnissen des schwäbisch­en Pfarrersoh­nes aus Maulbronn. Dessen Mutter zeichnete 24 Kästchen auf einen Karton und nähte auf jedes ein „Wibele“(ein ursprüngli­ch aus dem Städtchen Langenburg in Hohenlohe stammendes Süßgebäck aus Biskuittei­g, Anm. d. Red.). Nach 1920 verbreitet­en sich Kalender, deren Fensterche­n man öffnen konnte. Hinter jedem Fensterche­n war auf einer zweiten, angeklebte­n Papier- oder Pappschich­t ein Bild zu sehen. Bis in die 1930er Jahre hinein genoss die lithografi­sche Anstalt von Reichhold & Lang in München den Ruf, die kunstreich­sten und fantasievo­llsten Werke auf diesem Gebiet herauszuge­ben. Lang stellte auch schon eine Art Schokolade­n-Adventskal­ender her.

Nach Kriegsende druckte Richard Sellmer in Stuttgart 1946, mit Genehmigun­g der amerikanis­chen Besatzungs­macht, das erste Exemplar der „Stadtansic­ht“und startete damit den Erfolgszug des Adventskal­enders, der bis heute ungebroche­n ist. Auf einer Messe lernte Verleger Richard Sellmer dann einen Amerikaner kennen, den das in den USA bis dato noch unbekannte Produkt begeistert­e. Mit diesem Mann gelangte der Adventskal­ender und die Begeisteru­ng dafür über den Atlantik. Die Beliebthei­t des Produkts war so groß, dass sich sogar die US-Amerikanis­chen Präsidente­n Richard Nixon und Dwight D. Eisenhower mit dem Kalender „Stadtansic­ht“fotografie­ren ließen.

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FOTO: WERNER KREITMEIER „Die Stadtansic­ht“von 1946 ist auch im Besitz des Oberdischi­nger Museumsver­eins.
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FOTO: WERNER KREITMEIER Jedes einzelne Türchen wurde liebevoll gestaltet.
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ARCHIV-FOTO: DKD Werner Kreitmeier

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