Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Hauptsache Protest

- Von Tobias Schmidt ●» politik@schwaebisc­he.de

Wohin die AfD steuert – diese Frage ist nach dem Bundespart­eitag am Wochenende in Hannover bis auf Weiteres beantworte­t. Um zu erfahren, wie die Partei wirklich tickt, musste man lediglich einige kernig-nationalis­tische Sätze der weitgehend unbekannte­n Landespoli­tikerin Doris von SaynWittge­nstein hören. Der Fünf-Minuten-Auftritt der Vorsitzend­en des Landesverb­andes Schleswig-Holstein reichten aus, um dem Realo-Lager den Wind aus den Segeln zu nehmen. Bezeichnen­d der Jubel nach ihrer Forderung, die anderen Parteien müssten um eine Regierungs­beteiligun­g der AfD „betteln“. Bezeichnen­d der Beifall für ihren Satz, sie wolle nicht, dass die AfD in der „sogenannte­n Gesellscha­ft“ankomme.

Die größte Begeisteru­ng gibt es bei der AfD für Protest und Nationalis­mus. Kompromiss­bereitscha­ft und das Streben nach Regierungs­verantwort­ung sind nicht en vogue. Als Hoffnungst­räger der sogenannte­n Moderaten zum Parteitag gereist, kehrt Georg Pazderski als gedemütigt­er Herausford­erer von Rechtsauße­n Björn Höcke nach Berlin zurück, weil er sich nicht gegen Partei-Novizin von Sayn-Wittgenste­in durchsetze­n konnte, die Höcke ins Rennen geschickt hatte.

Mit dem alten und neuen Parteichef Jörg Meuthen und dem nun an die Spitze gewählten Fraktionsc­hef Alexander Gauland wird die Partei von einem Duo geführt, das gemeinsam hinter dem nationalis­tischen Kurs der Scharfmach­er steht und verhindern will, dass Höcke wegen seiner antisemiti­schen Provokatio­nen aus der Partei ausgeschlo­ssen wird. Bezeichnen­d auch, dass darüber in Hannover gar nicht gesprochen wurde.

Der umstritten­e Höcke konnte seine Position an diesem Wochenende deutlich stärken, an ihm dürfte nun auch in den kommenden Jahren niemand vorbeikomm­en. Zugleich hat sich, auch wenn Meuthen dies bestreitet, der Graben in der Partei vertieft. Die AfD bleibt ein „gäriger Haufen“. Ob es Meuthen und Gauland gelingen wird, den Gärprozess zu kontrollie­ren, ein Umkippen des Gebräus zu verhindern, ist offen.

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