Kino vom Kuhberg
Mit „Ulmer Dramaturgien“veröffentlicht Günter Merkle eine Doppel-DVD mit Filmen von Studenten der Hochschule für Gestaltung
ULM - Die Ulmer Hochschule für Gestaltung, kurz HfG, gilt als eine Wiege des modernen Designs. Dass von ihr auch Impulse für das Film- und Fernsehschaffen in der Bundesrepublik ausgingen, ist kaum bekannt – selbst in Ulm nicht. Eine neu erschienene DVD-Edition, herausgegeben von den früheren HfG-Studenten Günther Hörmann und dem Filmunternehmer Günter Merkle (Protel) soll dies nun ändern. Aber nicht nur Design-Historiker und Filmfans kommen laut Merkle auf ihre Kosten.
„Ulmer Dramaturgien“– so der Titel der mit einem umfangreichen Booklet ausgelieferten Doppel-DVD – ist die bereits achte Veröffentlichung mit historischen Ulm-Filmen von Protel in der vergangenen zehn Jahren. Und wie schon bei früheren Teilen steckt viel Recherche- und Organisationsaufwand hinter dem fertigen Produkt. So mussten Merkle und Hörmann nach Berlin fahren, um dort 200 Kilogramm Ton- und Bildnegative von der Stiftung Deutsche Kinemathek abzuholen. Vier Stunden Rohmaterial wurden digitalisiert und bearbeitet.
Dass die Abteilung Film bislang eher wenig gewürdigt und erforscht wurde, liegt auch an daran, dass sie erst 1961, acht Jahre nach dem Unterrichtsstart der HfG, gegründet wurde. Nach Ansicht des HfG-Archivs, welches das Erbe der Hochschule verwaltet, ist sie eine der frühesten Institutionen für Filmtheorie und Filmausbildung in der Bundesrepublik und ein geistiges Zentrum des Neuen Deutschen Films. Das liegt freilich vor allem an den Dozenten: Alexander Kluge und Edgar Reitz, zwei Unterzeichner des wichtigen „Oberhausener Manifests“, in dem junge deutsche Filmemacher den „Abschied von Papas Kino“forderten. Sie hegten eine tiefe Abneigung gegen die Ideen einer Traumfabrik und – inspiriert von den Theoretikern der Frankfurter Schule – gegen die Unterhaltungsindustrie an sich. Sie wollten ein Autorenkino, das realistisch gesellschaftliche Konflikte zeigt und den Zuschauer auch intellektuell fordert.
Diese Ideen vermittelten Kluge und Reitz auch ihren Studenten in Ulm. Die schufen für die HfG vor allem sehr kurze Miniaturen, manche nicht einmal eine Minute lang – mit nur einer Kamera und für gewöhnlich nur einem Take pro Szene. „Sie haben es geschafft, mit einfachsten Mitteln die filmische Essenz rüberzubringen“, lobt Merkle. „Die Miniaturen sind so modern, dass es richtig Spaß macht, sie anzusehen.“Rund zwei Dutzend von ihnen sind auf der Doppel-DVD, dazu längere, zumeist zum Studienabschluss entstandene Filme. Sie verbindet die einfache Form, die eher nüchterne Bildsprache – und oft auch ein kritischer, linker Impetus.
Nach der HfG-Schließung 1968 bestand die Filmabteilung in Form des Institut für Filmgestaltung in Ulm weiter, das Tätigkeitsfeld verlagerte sich zu film- und fernsehrechtlichen Themen und später zu Neuen Medien. Erst 2016 endet die Geschichte der Institution endgültig. Kluge und Reitz sind bis heute wichtige Köpfe des deutschen Films. Und die Absolventen? „Ein Wim Wenders oder Werner Herzog war nicht dabei“, gibt Merkle zu, ein Großteil blieb aber dem Medium Film treu. Heute wohl am bekanntesten ist Jeanine Meerapfel, seit 2015 Präsidentin der Akademie der Künste in Berlin.
Sehenswert sind die „Ulmer Dramaturgien“unbedingt – nicht nur für Experten, wie Mitherausgeber Merkle betont: „Die DVD-Edition ist für alle, die sich für Zeitgeschichte interessieren. Und für die, die wissen wollen, wie es in den 60er Jahren in Ulm ausgesehen hat.“Und auch einige Prominente haben ihren Auftritt in den Filmen: So zeigt der in Ausschnitten enthaltene Film „Die Wahl“(1965) von Wilfried E. Reinke Auftritte von Ludwig Erhard und Franz Josef Strauß.
Die DVD-Edition „Ulmer Dramaturgien“ist im regionalen Buchhandel erhältlich, in Neu-Ulm bei Schmiedel & Gruss in der Ludwigstraße. Die Preisempfehlung liegt bei 24,80 Euro.