Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Platz für einen Unbequemen

- Von Michael Lehner ●» politik@schwaebisc­he.de

Ü ber Stil lässt sich streiten. Aber im Gegensatz zu vielen anderen Ablöse-Kandidaten scheint es Bayerns Ministerpr­äsident gerade noch zu schaffen, einen Abgang in Würde vorzuführe­n. Der Machtinsti­nkt seiner CSU lässt Horst Seehofer aber auch keine andere Wahl.

Seehofer hat die CSU aus dem Macht-Vakuum geführt, das aus dem zu kurz gedachten Sturz des Edmund Stoiber entstanden war. Er hat seine Partei im Landtag aus dem Tal der Tränen einer Koalitions­regierung zurück zur absoluten Mehrheit geführt. Das ist weit mehr als viele Parteifreu­nde dem Verwaltung­swirt aus Ingolstadt zugetraut hätten.

Ob Verdienst oder Versäumnis wird umstritten bleiben: Nie in ihrer Geschichte war die CSU so beweglich wie unter Seehofer. Aber, vor allem für die Schwesterp­artei CDU, auch nie so unberechen­bar. Der Mann, der in seinen jüngeren Jahren eher als „Herz-Jesu-Sozialist" gegolten hat, versuchte in höheren Ämtern dem Anspruch seiner Partei zu genügen, für das Konservati­ve in der Republik zu stehen. Ein schwierige­s Unterfange­n, wie heute klar wird.

Letztendli­ch wurde Seehofer zum Verhängnis, dass seine Versuche, eine klassische Wählergrup­pe der CSU bei der Stange zu halten, am Ende nicht fruchteten. Die AfD ist in Bayern stärker geworden als in den übrigen „alten“Bundesländ­ern. Mit der Kanzlerin an der Grenze von Anstandsre­geln zu streiten, hat sich für die CSU nicht ausgezahlt.

Die Quittung, die Wählerinne­n und Wähler ausstellte­n, hat den Weg freigemach­t für einen SeehoferNa­chfolger, der vor allem eines ist: Profi mit jahrzehnte­langer Regierungs­erfahrung. Und ein harter Brocken, nicht nur, weil er den harten Brocken Seehofer mit Ansage zum Aufgeben bewegt hat. Partner und Gegner müssen sich auf einen Unbequemen einrichten, der genau weiß, was er will – für sich, für Bayern und für die CSU. Und auf einen Mann, der gut rechnen kann. Zum Beispiel beim Länderfina­nzausgleic­h und bei den Staatsausg­aben, die nach der Bundestags­wahl mal wieder nach „Wünsch Dir was“klingen.

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