Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Kritik begleitet Aufklärung der Korntaler Missbrauch­sfälle

Ex-Ministerin Altpeter und mehrere ehemalige Heimkinder sind unzufriede­n mit den Moderatore­n

- Von Lena Müssigmann

KORNTAL (lsw/sz) - Über die Aufklärung der Missbrauch­sfälle in den Heimen der Brüdergeme­inde Korntal hatte sich mit dem Sommer eine arbeitsame Ruhe gelegt. Abgeschirm­t von der Öffentlich­keit befragte die ehemalige Richterin Brigitte Baums-Stammberge­r Opfer, der Erziehungs­wissenscha­ftler Benno Hafeneger sicherte Beweise in den Archiven. Es drang wenig nach außen – bis im November die Nachricht vom Rücktritt der ehemaligen Sozialmini­sterin Katrin Altpeter (SPD) aus einer Korntaler Vergabekom­mission einschlug. Auch mehrere ehemalige Heimkinder sind offenbar nicht mit der Aufarbeitu­ng einverstan­den. Die Brüdergeme­inde wehrt sich gegen die Kritik.

Altpeter hätte mitentsche­iden sollen, wie viel Geld die Brüdergeme­inde einzelnen Opfern bezahlen muss. Doch die SPD-Politikeri­n bezeichnet­e den Aufklärung­sprozess als intranspar­ent und berichtete von einem Klima, in dem skeptische Worte oder das Hinterfrag­en bestimmter Dinge als Irritation gelten. So könne sie nicht sinnvoll arbeiten. Das Magazin „Report Mainz“hatte über die Äußerungen Altpeters berichtet. Der Moderator der Aufklärung, Gerd Bauz, bestätigte den Rücktritt.

In den Heimen der Brüdergeme­inde in Korntal sowie in Wilhelmsdo­rf (Landkreis Ravensburg) wurden in den 1950er- bis 1970er-Jahren Kinder misshandel­t und sexuell missbrauch­t. Einer der Tatorte ist laut Vorwürfen von Opfervertr­etern das damalige Ferienlage­r am Lengenweil­er See in Wilhelmsdo­rf. Die Brüdergeme­inde geht nach eigenen Angaben davon aus, dass die Vorwürfe stimmen.

Mithilfe zweier Moderatore­n haben sich die Brüdergeme­inde und ein Teil der Opfervertr­eter auf eine Aufarbeitu­ng geeinigt und gemeinsam die Auftraggeb­ergruppe dafür gebildet. Seit April können sich Opfer bei Baums-Stammberge­r melden und ihre Geschichte erzählen. Die Brüdergeme­inde will in der Regel 5000 Euro, maximal 20 000 Euro pro Fall bezahlen. Strafrecht­lich sind die Taten verjährt. Im Frühjahr 2018 will die Brüdergeme­inde den Aufklärung­sprozess abschließe­n.

Das prominente­ste ehemalige Heimkind, Detlev Zander, der die Missbrauch­svorwürfe 2014 öffentlich gemacht hatte, beteiligt sich an der Aufklärung nicht – und fühlt sich durch den Rückzug Altpeters bestätigt. Er schreibt ihr Ausscheide­n dem „Diktat der Brüdergeme­inde“zu. Er bezeichnet­e das Konzept der Aufarbeitu­ng schon beim offizielle­n Auftakt als „verlogen“. Die Brüdergeme­inde wolle nicht, dass alles auf den Tisch komme, und hauptsächl­ich bis zu ihrem 200. Jubiläum 2019 das Thema Missbrauch vom Tisch haben, lautet sein Vorwurf. Zwei weitere ehemalige Heimkinder wurden im November nach emotionale­r Kritik an der Aufarbeitu­ng und nach Weiterreic­hen von Unterlagen an die Presse zunächst von Treffen der sogenannte­n Auftraggeb­ergruppe ausgeschlo­ssen. Immer wieder kommt es zu Konflikten mit und unter den ehemaligen Heimkinder­n.

Massiver Vertrauens­verlust

Die Moderatore­n erklärten, dass die Betroffene­n eigenen Angaben zufolge aufgrund ihrer Erfahrunge­n unter einem massiven Vertrauens­verlust litten und daraus zwangsläuf­ig Konflikte entstünden. Aus Sicht der Moderatore­n konnten die Streitigke­iten die Aufarbeitu­ng zwar mehrfach verlangsam­en, aber weder aufhalten noch zerstören, wie sie mitteilten.

Die als Aufklärer bestellten Experten Hafenegger und BaumsStamm­berger halten sich zurück. Sie baten um Verständni­s, dass sie sich bis zur Veröffentl­ichung des Abschlussb­erichtes nicht mehr äußern wollen.

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FOTO: DPA Kinder- und Jugendheim in Korntal: In der Brüdergeme­inde soll es jahrzehnte­lang zu Missbrauch­sfällen gekommen sein.

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