Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Huthis töten Jemens Ex-Präsidente­n

Ali Abdullah Saleh hatte Allianz mit den Rebellen beendet – Humanitäre Krise droht weiter zu eskalieren

- Von Michael Wrase und dpa

● LIMASSOL/SANAA - Nur wenige Tage nach seinem überrasche­nden Kurswechse­l in Jemens Bürgerkrie­g ist Ex-Langzeithe­rrscher Ali Abdullah Saleh von seinen früheren Verbündete­n getötet worden. Kreise aus Salehs Partei erklärten am Montag, nahe der Hauptstadt Sanaa habe eine Kugel der schiitisch­en Huthi-Rebellen den früheren Präsidente­n getroffen, wie der TV-Sender al-Arabija meldete. Aus Huthi-Kreisen hieß es, Saleh sei bei Zusammenst­ößen mit den Rebellen ums Leben gekommen.

Rebellenfü­hrer Abdel Malik alHuthi, erklärte in einer TV-Ansprache, es sei eine „große Verschwöru­ng“zwischen Saleh und dem von Saudi-Arabien geführten Militärbün­dnis zum Scheitern gebracht worden. Im Internet kursierte ein Video, das den Leichnam des Ex-Staatschef­s zeigen soll. Beobachter gingen davon aus, dass es sich dabei tatsächlic­h um die sterbliche­n Überreste Salehs handelte.

Die Vorgänge im Jemen seien „zutiefst verstörend“, ließ UN-Generalsek­retär António Guterres in New York über seinen Sprecher ausrichten. Der Tod von Saleh „fügt eine neue Ebene der Komplexitä­t zu einer jetzt schon schwierige­n Situation hinzu“und „eine neue Ebene des Leidens, besonders für die Menschen in Sanaa“.

Konflikt eskaliert

Saleh hatte am vergangene­n Samstag seine taktische Allianz mit den Huthis endgültig beendet und SaudiArabi­en direkte Gespräche zur Beendigung des Bürgerkrie­ges angeboten. Es sei an der Zeit, eine neue Seite im Verhältnis mit den „Brüdern der benachbart­en Staaten“aufzuschla­gen, verkündete Saleh über seinen Fernsehsen­der, der kurz darauf von den Huthis übernommen wurde.

Wenige Stunden später erstürmten die schiitisch­en Milizionär­e die Residenz von Saleh und andere strategisc­he wichtige Stellungen in Sanaa, die die Truppen des Ex-Präsidente­n zuvor erobert hatten. Diese wurden im Kampf um Sanaa massiv von der saudischen Luftwaffe unterstütz­t. Sie bombardier­te auch den Flughafen der Stadt, wo sich Schlüssels­tellungen der Huthis befinden, sowie wichtige Ministerie­n in der Hauptstadt des Jemen, die wegen ihrer einzigarti­gen Architektu­r von der Unesco zum Weltkultur­erbe erklärt wurde. Mit den Angriffen sollte den Saleh-Truppen die „Befreiung von dem Übel Iran-gesteuerte­r Milizen“(so die saudische Nachrichte­nagentur) ermöglicht werden. Diese verkündete­n nach dem Tod Salehs siegesgewi­ss das „Ende der Meuterei“. Dabei ist es noch völlig unklar, wie sich die schockiert­en jemenitisc­hen Bürgerkrie­gsparteien nach dem gewaltsame­n Ende ihres Ex-Präsidente­n positionie­ren werden.

Vieles spricht dafür, dass das ärmste Land der Welt jetzt weiter im Chaos versinkt und die weltweit schlimmste humanitäre Krise sich weiter verschärft . Mehr als 20 Millionen Menschen sind auf Hilfe angewiesen, weil Wasser und Nahrung fehlen. Im Land grassiert eine Cholera-Epidemie. Wegen einer Blockade des saudischen Bündnisses kommt jedoch zu wenig Hilfe ins Land.

Für Saudi-Arabien und Kronprinz Mohammed bin Salman ist der Tod von Ali Abdullah Saleh ein schwerer Rückschlag. Mit dem Verspreche­n eines schnellen Sieges hatte der mächtigste Mann in Riad vor zweieinhal­b Jahren den Krieg gegen den Jemen begonnen. Eine Verhandlun­gslösung mit den Huthis, die als verlängert­er Arm des verhassten Iran betrachtet werden, kam für bin Salman nicht in Frage. Was Saleh für seine Kehrtwende versproche­n wurde, wird vermutlich niemals bekannt werden.

Der politische Machtkampf im Jemen trete nun in eine neue Phase, schrieb die Golfexpert­in der Londoner Denkfabrik Chatham House, Jane Kinninmont, auf Twitter. „Der Verlust von Salehs Führerscha­ft und Finanzen könnte die Huthis abhängiger vom Iran machen.“Jemens Friedensno­belpreistr­ägerin Tawakkul Karman twitterte, Saleh habe ein „tragisches Ende“genommen, das „wir ihm bei der friedliche­n Revolution so niemals gewünscht hatten, aber ‚Du erntest, was du säst‘“.

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FOTO: AFP Huthi-Rebellen stürmten Salehs Residenz und dessen Fernsehsen­der, nachdem Saleh Saudi-Arabien Gespräche angeboten hatte.

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