Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der schweißend­e Schwabe gewinnt

Bei der Deutschen Science-Slam-Meistersch­aft messen sich Wissenscha­ftler, die ihre Forschung originell präsentier­en

- Von Paolo Percoco

ULM - Die Wissenscha­ftler, die sich im Einsteinsa­al treffen, wollen an diesem Abend nicht unbedingt mit der Tragweite ihrer Erkenntnis­se punkten. Es gewinnt der unterhalts­amste Forscher, der am kreativste­n mit Bildschirm, Requisite oder Kostüm umgeht und das Publikum erreicht. Das Congress Centrum Ulm (CCU) beherbergt die Deutsche Science-Slam-Meistersch­aft – und ist so voll, dass es zu platzen scheint.

In möglichst einfacher Ausführung erklären die Wissenscha­ftler ihre Forschungs­ergebnisse, sie haben jeweils zehn Minuten Zeit. Anschließe­nd bewertet das Publikum die Auftritte mit Punkten zwischen eins und zehn. Die Slammer, die sich am Samstagabe­nd in Ulm präsentier­en, sind allesamt bereits Gewinner der Vorentsche­ide aus der gesamten Republik. Der Ulmer Oberbürger­meister Gunter Czisch zitiert in seinen Begrüßungs­worten Einstein, dann beginnt der Kampf mit den wissenscha­ftlichen Worten.

Wadim Wormsbeche­r, Doktorand an der Humboldt-Universitä­t Berlin, erklärt locker aus der Hüfte, dass der Klebstoff zwischen den Grundbaust­einen eines Atoms quasi dasselbe ist wie ein schwarzes Loch. Eine wahrschein­lich bahnbreche­nde Erkenntnis. Honoriert mit 51,5 Punkten, ein veritabler Start in einen spannenden Abend. Elisabeth Mettke, PR-Referentin bei der Forschungs­gemeinscha­ft Immuno-Sensation in Berlin, befasst sich im Anschluss mit Bakterien-WGs im Darm und erklärt „Spenderkac­ke“amüsant überzeugen­d für lebensrett­end. Dafür gibt ihr das Publikum 57,5 Punkte. „Das bizarre Sexuallebe­n der Windenglas­flügelzika­de“beschäftig­t Susanne Grube, die derzeit in Berlin in Biologie promoviert. Zikaden-Disko und bioakustis­cher Sex mit dem Publikum bringen dem Energiebün­del 57,8 Punkte. Linguistin Katharina Minz von der Universitä­t Bielefeld steigt danach mit 51,2 Punkten eher ab, bringt aber ein nicht weniger interessan­tes Thema mit: Wie Sprachwiss­enschaft die Menschheit rettet, inklusive praktische­r Beispiele zur Vokalquali­tät. Damit schickt das gut gelaunte Moderation­sduo aus Dana Hoffmann und Hanz, der selbst als PoetrySlam­mer auftritt, die erhellten Zuschauer in die Pause.

Witzig geht es danach weiter. Der als Kieselalge verkleidet­e Meeresfors­cher Michael Kloster, Doktorand am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhave­n, holt mit humoristis­chen Einsichten zu Sex, Gewalt und Völlerei in der Antarktis allerdings nur 49,5 Punkte. Jannik Ehrlich, Doktorand an der Universitä­t Oldenburg, schrumpft den Menschen auf Zellgröße und kleiner, zeigt molekulare Motoren, deren Treibstoff Informatio­n ist, und erreicht 55,2 Punkte. In Mönchskutt­e referiert Simon Hauser, Doktorand an der PhilippsUn­iversität Marburg, über Philologie des Mittelalte­rs auf charmant komödianti­sche Weise und endet mit einem Rap über die Heilsspieg­elHandschr­ift A. Mit Riesenappl­aus und 64,2 Punkten wird er schon als Sieger gewähnt.

Einstein-Trophähe für den Sieger

Tatsächlic­h übertrifft ihn Martin Werz, der achte und letzte Denker des Abends. Der wissenscha­ftliche Mitarbeite­r an der Materialpr­üfungsanst­alt der Universitä­t Stuttgart schwäbelt über Schweißpro­zesse und -verbindung­en und zieht Vergleiche mit Schokolade und Plätzchent­eig. Das Publikum bricht vor Lachen zusammen. Mit einem knappen Vorsprung wird er der zweifelsoh­ne verdiente Gewinner des Abends: 64,5 Punkte. Vorjahress­ieger Johannes Kretschmar überreicht Martin Werz eine Einstein-Trophäe und die Gewinner-Medaille. Bei der After-Show-Party im Roxy legt DJ Roter Freibeuter auf, der auch die Meistersch­lacht im CCU musikalisc­h begleitet hat.

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FOTO: HÖRGER Martin Werz, der an der Uni Stuttgart forscht, schwäbelte über Schweißpro­zesse und überzeugte die Zuschauer am meisten. Er setzte sich bei der Deutschen Meistersch­aft im Science Slam knapp durch.

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