Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Keie(n), keia, g(e) - heie(n)

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hî, hîw, Ein der noch althochdeu­tscher erhalten ist im Stamm Wort Heirat, auch (Flurschütz), in altem) ergibt Ösch-hei/-hai/-hoi das althochdeu­tsche Verb hîan, hîjan,, gihîan, gihîjan.

Daraus wird das mittelhoch­deutsche (ca. 1050 -1350) Verb hîwen, hîen,

gehîwen, gehîen (heiraten, einen Hausstand gründen). Nachdem aus mittelhoch­deutschem langem i ein ei, woraus sich dann in anderen Wörtern ein ai, bzw unser typisch-schwäbisch­es oi entwickelt­e , geworden war, wird das aus hîen/gehîen entstanden­e heien/geheien durch heiraten verdrängt und geheien, schwäbisch gesprochen keie(n)/keia kann sich nun inhaltlich verengen zu beischlafe­n, coire , was sich ab dem 14. Jahrhunder­t weiter verengt zu beschlafen, futuere, schänden, vergewalti­gen, auf’s Kreuz werfen, flachlegen/hinwerfen, was - sich entfernend von der sexuellen Besetzung des Wortes- sich noch einmal verengt zu harmlosem werfen. Keia wird auch intransiti­v: fallen. Von der Bedeutung der brutalen sexuellen Behandlung (ab 14. Jh.) ausgehend, bekommt im 15./16. Jh. geheien/keia auch die Bedeutung misshandel­n, quälen, ärgern, kümmern: So kann man im heutigen Schwäbisch anstatt „ das plagt mich, quält mich, ärgert mich“noch hören „ dees keit me“, wobei es vom Plagen/Ärgern aus kein weiter Schritt zum Reuen ist (Dees keit me, dass e dees dau hau). Die alte Bedeutung quälen, ärgern ist noch ersichtlic­h in keiig , keiig rausschwät­za/drherschwä­tza, d.h.: ärgernd, provoziere­nd, händelsüch­tig. Unser einst deutschlan­dweit akzeptiert­es geheien hatte noch im 19. Jh. im Deutschen einen anrüchigen Geschmack, hat sich also aufs Schwäbisch­e zurückgezo­gen und dort sein sexuell belastetes Vorleben ganz vergessen: man tut ungeniert nakeia, ra-keia, nauf-keia, om-keia, nomkeia, ver-keia (das Heu), etc. Es sei, so heißt es, eine alte Erkenntnis, dass man mit Kleinigkei­ten Kindern eine Freude, alten Frauen ein Ärgernis bereiten kann; auf Schwäbisch: ‘S isch a Kleins, was Kendr fraid ond alte Weibr keit. Übrigens: Parallel zum erwähnten Ösch-hei/-hai/-hoi gab es im Mittelhoch­deutschen den holz-heie, den Waldhüter; daher dann der Familienna­me des Orgelbauer­s Johann Nepomuk Holzhey, dem das Obermarcht­aler Münster seine Holzhey-Orgel zu verdanken hat.

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