Schwäbische Zeitung (Ehingen)

OSK-Patientena­kten landen im Altpapier

Dokumente mit hochsensib­lem Inhalt wurden ungeschred­dert entsorgt

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - 103 Leitz-Ordner mit Krankenakt­en von Patienten der Oberschwab­enklinik (OSK) sind offenbar ungeschred­dert im Altpapierc­ontainer auf dem Ravensburg­er Wertstoffh­of gelandet. Ein Leser, der anonym bleiben möchte, hat sie dort Anfang Dezember beim Müllentsor­gen entdeckt und mitgenomme­n. „Da waren noch mehr. Ich habe gerettet, so viele ich konnte“, sagte der Mann der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Der Inhalt der Akten ist äußerst brisant. Sie enthalten nicht nur die kompletten Namen und Anschrifte­n der Patienten, ihre Medikation und Behandlung, sondern auch sensible Details wie die Verweisung ins Zentrum für Psychiatri­e nach einem Suizidvers­uch oder Angaben über Drogenund Medikament­enmissbrau­ch. „Wenn das jemand Falschem in die Hände gerät, kann er die Betreffend­en damit erpressen“, sagt der Leser, der zwei Wochen lang überlegt hat, was er machen soll, bevor er sich an die Zeitung gewandt und die Akten bei der Polizei abgegeben hat.

Die Akten stammen alle aus den Jahren 1997 bis 2008. Sie sind in roten und grünen Pappordner­n von Leitz abgeheftet, die Deckel sind dabei alle in der gleichen Handschrif­t mit einem blauen Filzstift beschrifte­t. Das Mysteriöse daran: „Wir verwenden solche stehenden Aktenordne­r nicht, sondern hängende, und lochen die Papiere auch nicht, sondern klemmen sie ein“, sagt der Pressespre­cher der OSK, Winfried Leiprecht. Zudem würde nur der Name in Handschrif­t direkt auf die Patientena­kte geschriebe­n, Geburtsdat­um und letzter Behandlung­stag hingegen auf einem Aufkleber.

Staatsanwa­ltschaft informiert

Er bestätigt zwar, dass die Papiere echt sind, es sich also um tatsächlic­he Krankenakt­en von OSK-Patienten handelt, vermutet aber, dass sie ein früherer Kooperatio­nspartner angelegt hat. „Momentan spricht viel dafür, dass ohne unser Wissen Akten nicht ins Archiv gegeben wurden, sondern vom Partner bei sich selbst geführt wurden.“Die Klinik habe die Staatsanwa­ltschaft darüber informiert. Nach bislang unbestätig­ten SZ-Informatio­nen handelt es sich dabei um einen ehemaligen Belegarzt, der Betten am EK hatte und dort Operatione­n durchführt­e.

Bei dem Fund handelt es sich um einen schweren Verstoß gegen das Bundesdate­nschutzges­etz. Demzufolge müssen Patientena­kten geschützt vor unberechti­gtem Zugriff aufbewahrt werden. Nach Ablauf der gesetzlich­en Aufbewahru­ngsfrist, die je nach medizinisc­her Disziplin variiert, müssen Patientend­aten an zertifizie­rte Entsorger zur Verwertung übergeben werden.

Beauftrage­n Krankenhäu­ser oder Arztpraxen Entsorgung­sfachbetri­ebe mit der Vernichtun­g ihrer sensiblen Daten, bleiben sie als Auftraggeb­er allerdings für die Einhaltung des Bundesdate­nschutzges­etzes und anderer Vorschrift­en über den Datenschut­z verantwort­lich. Gesetzesve­rstöße gehen zulasten des Auftraggeb­ers und werden mit einer Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Gefängnis geahndet. Seit Ende 2012 gelten noch strengere Regeln für die Entsorgung von Datenträge­rn in Deutschlan­d. Patientena­kten werden dabei als vertraulic­he, geheime Gesundheit­sdaten eingestuft und sind besonders schutzbedü­rftig. Vor der Entsorgung müssen die Akten zwingend geschredde­rt werden.

Bei der OSK werden Akten laut Pressespre­cher Winfried Leiprecht nur in verschloss­enen Behältern transporti­ert. Nach der Aufbewahru­ngsfrist werden sie in ebenfalls abgeschlos­senen Containern von den Archiven in Weingarten und Bad Waldsee an eine Fachfirma weitergege­ben, die sie dann vernichtet. Im fraglichen Zeitraum Anfang Dezember sei dies aber nicht geschehen, was die Klinik nach Ansicht ihres Pressespre­chers ebenfalls entlastet.

Die Staatsanwa­ltschaft Ravensburg hat am Mittwoch nach dem Erhalt der Akten die Ermittlung­en aufgenomme­n. Ob es sich bei dem Vorfall überhaupt um eine Straftat handelt, lässt sich laut Oberstaats­anwalt Karl-Josef Diehl pauschal nicht sagen. „Es ist natürlich ein gravierend­er Verstoß gegen Datenschut­zbestimmun­gen, ganz klar, und eine hochnotpei­nliche Schlampere­i. Ob aber eine strafbare Handlung dahinterst­eht, das lässt sich wahrschein­lich nur schwer klären“, meint der Pressespre­cher der Staatsanwa­ltschaft Ravensburg. „Das wäre nur bei einem vorsätzlic­hen Verstoß gegen die ärztliche Schweigepf­licht der Fall.“

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FOTO: ANNETTE VINCENZ Die Akten enthalten Namen, Adressen, die Krankheits­geschichte­n und die Medikation­en der Patienten. Die Dokumente wurden am Mittwoch der Polizei übergeben.

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