Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Traumatisc­he Erfahrung

Heute beginnt der Prozess gegen den mutmaßlich­en Bombenatte­ntäter auf den BVB-Mannschaft­sbus

- Von Martin von Braunschwe­ig

DORTMUND (dpa) - Ein Knopfdruck, ein Knall, Schreie. Nachdem die Bombe am Mannschaft­sbus des Fußball-Bundesligi­sten Borussia Dortmund explodiert ist, steht der Verdacht eines weiteren möglichen islamistis­chen Anschlags im Raum. Intensiv suchen die Ermittler nach einem Ansatz. Waren es wirklich Islamisten? Linksextre­me, militante Fußballfan­s oder Rechte? Nichts davon. Geldgier ist der Auslöser für den Anschlag: Sergej W., der heute in Dortmund vor Gericht steht, soll versucht haben, Fußballspi­eler des BVB zu töten und bei Aktienspek­ulationen abzukassie­ren. Zuletzt wohnte er in Rottenburg am Neckar.

Mehr als 50 Journalist­en aus dem In- und Ausland werden erwartet, wenn die Anklage gegen den 28-Jährigen verlesen wird. Rund 50 Sitzplätze sind für Zuschauer reserviert.

Die Staatsanwa­ltschaft wirft Sergej W. 28-fachen Mordversuc­h und Herbeiführ­en einer Sprengstof­fexplosion vor. Heimtückis­ch, aus Habgier und mit gemeingefä­hrlichen Mitteln habe der Elektrotec­hniker gehandelt, so die Anklage. W., der 2003 seine russische Heimat verlassen hat und inzwischen einen deutschen Pass besitzt, soll bisher jedoch erklärt haben, er habe in Dortmund lediglich Urlaub gemacht.

Die Ermittler sind davon überzeugt, dass der 28-Jährige am 11. April drei selbst gebaute Sprengsätz­e in einer Hecke am Mannschaft­shotel des BVB im Dortmunder Süden deponiert hat. Nachdem das Team vor der Champions-League-Partie gegen AS Monaco am Hotel in den Bus gestiegen war und dieser sich langsam in Bewegung setzte, soll er die Bomben mithilfe von Fernzünder­n zur Explosion gebracht haben. Metallspli­tter flogen durch die Luft. Viele drangen in den Bus ein und verletzten dort BVB-Abwehrspie­ler Marc Bartra, der mit einem Bruch des Unterarms ins Krankenhau­s gebracht werden musste. Ein Polizist, der den Bus auf einem Motorrad begleiten sollte, erlitt ein Knalltraum­a. Das Fußballspi­el wurde abgesagt und am nächsten Abend nachgeholt.

Sergej W. soll den Tod von 28 Menschen in Kauf genommen haben, um selbst ein reicher Mann zu werden. Der BVB ist der einzige Fußballver­ein in Deutschlan­d, dessen Aktien an der Börse gehandelt werden. Laut Anklage kaufte W. in der Woche vor dem Anschlag für rund 26 000 Euro Optionssch­eine und Kontrakte – und schloss mit diesen eine Wette auf die BVB-Aktie ab. Wäre der Kurs, wie von ihm erhofft, auf einen Euro abgerutsch­t, hätte der 28Jährige mehr als eine halbe Million Euro Gewinn gemacht.

Zehn Tage nach der Tat wurde W. festgenomm­en, nachdem die auffällige­n Finanzgesc­häfte durchleuch­tet worden waren. Am Tattag soll der 28-Jährige ein Zimmer im Mannschaft­shotel bewohnt haben. Außerdem fanden die Ermittler Hinweise darauf, dass er vor dem Anschlag zahlreiche Elektroart­ikel gekauft hatte, die für den Bau einer Bombe verwendet werden könnten. Für den Prozess hat das Dortmunder Schwurgeri­cht 18 Verhandlun­gstage bis zum 28. März angesetzt. Mehrere Spieler haben sich dem Verfahren als Nebenkläge­r angeschlos­sen.

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FOTO: DPA Unangenehm­er Gang: Nach dem Anschlag werden die Dortmunder Spieler von Polizisten eskortiert.

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