Sorge um die kleine Ulmer Blutbank
Die Einrichtung, die über Leben und Tod entscheiden kann, könnte geschlossen werden
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ULM - Etwa eineinhalb Kilometer liegen zwischen dem Zentrum für Chirurgie der Uniklinik und dem Ulmer Sitz des Blutspendediensts des Roten Kreuzes in der Helmholtzstraße 10. Eineinhalb Kilometer, die über Leben und Tod entscheiden. So sehen es rund 700 Menschen. Viele von ihnen stammen aus der Gegend um Ulm, arbeiten selbst als Ärzte oder Krankenpfleger. Sie haben eine Petition im Internet unterschrieben und wollen den möglichen Umzug der Blutbank im Zentrum für Chirurgie an der Uniklinik verhindern.
Denn die kleine Blutbank könnte geschlossen werden. Die Präparate würden dann von einem Kurier oder mit einem Taxi ins Zentrum für Chirurgie gebracht werden. Der Blutspendedienst Baden-WürttembergHessen, der die Blutbank betreibt, prüft seit einigen Wochen, ob seine Ulmer Zentrale an der Helmholtzstraße die Aufgaben der Ausgabestelle in der Uniklinik übernehmen könnte. Stefanie Fritzsche, Sprecherin des Unternehmens betont: „Es ist keine Entscheidung getroffen.“Der Blutspendedienst wolle Ressourcen bündeln und prüfen, ob man Kosten einsparen könne. „Natürlich sind alle besorgt. Aber eine Bündelung wird erst dann geschehen, wenn die Versorgung erhalten bleibt“, sagt Fritzsche. Intern wurde der Umzug schon Anfang Juli als beschlossen angekündigt. Das berichtet ein Informant, der namentlich nicht genannt werden will. Als Termin sei ein Datum Anfang Januar vorgesehen gewesen. Scheinbar seien die Pläne dann aber doch auf Eis gelegt worden.
Zum Hintergrund: Das Konzernergebnis des Blutspendediensts hat sich verschlechtert. Die Zahlen werden im Bundesanzeiger veröffentlicht. Demnach ist 2016 der Erlös durch den Verkauf von Präparaten gesunken und das Spendenaufkommen zurückgegangen. Weil der Bedarf an Präparaten weiter sinkt, werden auch für 2017 niedrigere Erträge erwartet. Im vergangenen Jahr betrug das Ergebnis des gesamten Blutspendedienstes Baden-Württemberg-Hessen nach Steuern nur halb so viel wie 2015, aber immer noch mehr als drei Millionen Euro.
„Selbst wenn man Minus macht, darf man Menschenleben doch nicht damit aufrechnen“, sagt der Mitarbeiter, der anonym bleiben will. Er hat Einblick in die Zusammenarbeit von der Uniklinik und Blutbank. Er und weitere Mitarbeiter, die in die Arbeit involviert sind, befürchten, dass die kleine Blutbank im Zentrum der Chirurgie schließt.
Derzeit kann die Ausgabestelle im Zentrum für Chirurgie die nahegelegenen Operationssäle in vier Minuten mit den nötigen Präparaten versorgen. Nach dem Umzug wäre das wahrscheinlich nicht mehr möglich. Erst in der vergangenen Woche wurden drei Notfallpatienten im Zentrum für Chirurgie versorgt. Die hätte man mit der größeren Entfernung nach dem Umzug wohl nicht retten können. Das haben Mitglieder des OP-Teams der Beteiligten berichtet.
Die Pläne für den Umzug machen an der Uni mittlerweile die Runde. Die Medizinstudentin Julia Langelittig hat davon erfahren und die Petition im Internet gestartet. Sie sagt: „Als Medizinstudentin sehe ich das als problematisch an, weil es ein weiterer Weg ist.“Die Uniklinik ist Polytraumazentrum. Dort werden Patienten behandelt, die mehrere Verletzungen gleichzeitig erlitten haben. Wenn sie versorgt werden, muss es schnell gehen. In manchen Fällen werden sehr viele Blutpräparate benötigt. „Das sind Menschen, die müssen nicht sterben, wenn es eine adäquate Versorgung gibt“, sagt Langelittig.
An manchen Tagen kann der Spitzenwert an Blutpräparaten, die von der Ausgabestelle an das Zentrum für Chirurgie weitergereicht werden, bei 170 Präparaten mit roten Blutkörperchen, Blutplättchen und Blutplasma liegen. Das geht aus einer vorliegenden Statistik hervor. Bislang sind die Wege kurz. Die Ausgabestelle im Zentrum für Chirurgie liegt neben dem OP und gegenüber des Schockraums, die Herz-Intensivstation und die Chirurgische Intensivstation sind nicht weit entfernt. Doch was passiert, wenn für den Transport von Präparaten in Zukunft wirklich ein Taxi gerufen werden muss?
Eines, das womöglich vom Hauptbahnhof anfährt? Genügt die Zeit, um einen Notfallpatienten zu versorgen, der viel Blut verliert? Das fragen sich die Unterzeichner der Petition und das fragt sich die Frau, die Einblick in die Zusammenarbeit von Chirurgie und Blutbank hat.
Professor Udo Kaisers ist Leitender Ärztlicher Direktor der Uniklinik. Er befürchtet nicht, dass Patienten in Zukunft schlechter versorgt werden. „Die Qualität brauchen wir unverändert. Wir werden nichts unterhalb dieser Schwelle akzeptieren“, betont er. Das Engagement für die Blutbank sehe er positiv. „Was ich unbedingt ernst nehme, ist die Befürchtung derer, die diese Petition unterzeichnet haben“, sagt Kaisers.
Derweil sammelt Julia Langelittig weiter Unterschriften. Tausend sollen es werden. Noch bis 25. Dezember sucht sie nach Unterstützern. Dann soll die Liste mit deren Namen an den Blutspendedienst und die Uniklinik übergeben werden.