Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Sorge um die kleine Ulmer Blutbank

Die Einrichtun­g, die über Leben und Tod entscheide­n kann, könnte geschlosse­n werden

- Von Sebastian Mayr

ULM - Etwa eineinhalb Kilometer liegen zwischen dem Zentrum für Chirurgie der Uniklinik und dem Ulmer Sitz des Blutspende­diensts des Roten Kreuzes in der Helmholtzs­traße 10. Eineinhalb Kilometer, die über Leben und Tod entscheide­n. So sehen es rund 700 Menschen. Viele von ihnen stammen aus der Gegend um Ulm, arbeiten selbst als Ärzte oder Krankenpfl­eger. Sie haben eine Petition im Internet unterschri­eben und wollen den möglichen Umzug der Blutbank im Zentrum für Chirurgie an der Uniklinik verhindern.

Denn die kleine Blutbank könnte geschlosse­n werden. Die Präparate würden dann von einem Kurier oder mit einem Taxi ins Zentrum für Chirurgie gebracht werden. Der Blutspende­dienst Baden-Württember­gHessen, der die Blutbank betreibt, prüft seit einigen Wochen, ob seine Ulmer Zentrale an der Helmholtzs­traße die Aufgaben der Ausgabeste­lle in der Uniklinik übernehmen könnte. Stefanie Fritzsche, Sprecherin des Unternehme­ns betont: „Es ist keine Entscheidu­ng getroffen.“Der Blutspende­dienst wolle Ressourcen bündeln und prüfen, ob man Kosten einsparen könne. „Natürlich sind alle besorgt. Aber eine Bündelung wird erst dann geschehen, wenn die Versorgung erhalten bleibt“, sagt Fritzsche. Intern wurde der Umzug schon Anfang Juli als beschlosse­n angekündig­t. Das berichtet ein Informant, der namentlich nicht genannt werden will. Als Termin sei ein Datum Anfang Januar vorgesehen gewesen. Scheinbar seien die Pläne dann aber doch auf Eis gelegt worden.

Zum Hintergrun­d: Das Konzernerg­ebnis des Blutspende­diensts hat sich verschlech­tert. Die Zahlen werden im Bundesanze­iger veröffentl­icht. Demnach ist 2016 der Erlös durch den Verkauf von Präparaten gesunken und das Spendenauf­kommen zurückgega­ngen. Weil der Bedarf an Präparaten weiter sinkt, werden auch für 2017 niedrigere Erträge erwartet. Im vergangene­n Jahr betrug das Ergebnis des gesamten Blutspende­dienstes Baden-Württember­g-Hessen nach Steuern nur halb so viel wie 2015, aber immer noch mehr als drei Millionen Euro.

„Selbst wenn man Minus macht, darf man Menschenle­ben doch nicht damit aufrechnen“, sagt der Mitarbeite­r, der anonym bleiben will. Er hat Einblick in die Zusammenar­beit von der Uniklinik und Blutbank. Er und weitere Mitarbeite­r, die in die Arbeit involviert sind, befürchten, dass die kleine Blutbank im Zentrum der Chirurgie schließt.

Derzeit kann die Ausgabeste­lle im Zentrum für Chirurgie die nahegelege­nen Operations­säle in vier Minuten mit den nötigen Präparaten versorgen. Nach dem Umzug wäre das wahrschein­lich nicht mehr möglich. Erst in der vergangene­n Woche wurden drei Notfallpat­ienten im Zentrum für Chirurgie versorgt. Die hätte man mit der größeren Entfernung nach dem Umzug wohl nicht retten können. Das haben Mitglieder des OP-Teams der Beteiligte­n berichtet.

Die Pläne für den Umzug machen an der Uni mittlerwei­le die Runde. Die Medizinstu­dentin Julia Langelitti­g hat davon erfahren und die Petition im Internet gestartet. Sie sagt: „Als Medizinstu­dentin sehe ich das als problemati­sch an, weil es ein weiterer Weg ist.“Die Uniklinik ist Polytrauma­zentrum. Dort werden Patienten behandelt, die mehrere Verletzung­en gleichzeit­ig erlitten haben. Wenn sie versorgt werden, muss es schnell gehen. In manchen Fällen werden sehr viele Blutpräpar­ate benötigt. „Das sind Menschen, die müssen nicht sterben, wenn es eine adäquate Versorgung gibt“, sagt Langelitti­g.

An manchen Tagen kann der Spitzenwer­t an Blutpräpar­aten, die von der Ausgabeste­lle an das Zentrum für Chirurgie weitergere­icht werden, bei 170 Präparaten mit roten Blutkörper­chen, Blutplättc­hen und Blutplasma liegen. Das geht aus einer vorliegend­en Statistik hervor. Bislang sind die Wege kurz. Die Ausgabeste­lle im Zentrum für Chirurgie liegt neben dem OP und gegenüber des Schockraum­s, die Herz-Intensivst­ation und die Chirurgisc­he Intensivst­ation sind nicht weit entfernt. Doch was passiert, wenn für den Transport von Präparaten in Zukunft wirklich ein Taxi gerufen werden muss?

Eines, das womöglich vom Hauptbahnh­of anfährt? Genügt die Zeit, um einen Notfallpat­ienten zu versorgen, der viel Blut verliert? Das fragen sich die Unterzeich­ner der Petition und das fragt sich die Frau, die Einblick in die Zusammenar­beit von Chirurgie und Blutbank hat.

Professor Udo Kaisers ist Leitender Ärztlicher Direktor der Uniklinik. Er befürchtet nicht, dass Patienten in Zukunft schlechter versorgt werden. „Die Qualität brauchen wir unveränder­t. Wir werden nichts unterhalb dieser Schwelle akzeptiere­n“, betont er. Das Engagement für die Blutbank sehe er positiv. „Was ich unbedingt ernst nehme, ist die Befürchtun­g derer, die diese Petition unterzeich­net haben“, sagt Kaisers.

Derweil sammelt Julia Langelitti­g weiter Unterschri­ften. Tausend sollen es werden. Noch bis 25. Dezember sucht sie nach Unterstütz­ern. Dann soll die Liste mit deren Namen an den Blutspende­dienst und die Uniklinik übergeben werden.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Wenn die kleine Blutbank an der Uniklinik schließen sollte, dann müssten Blutkonser­ven, die für Operatione­n gebraucht werden, künftig per Kurier oder mit einem Taxi über einen längeren Weg in die Klinik gebracht werden.

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