Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Weben als Perspektiv­e

Ehinger Ehepaar Anday unterstütz­t Kriegswitw­en in Eritrea.

- Von Dominik Prandl

EHINGEN - „Wir haben nie vergessen, was wir hinter uns gelassen haben.“Das sagt Medhin Anday aus Ehingen, die zusammen mit ihrem Mann Haile Anday 1980 aus Eritrea geflohen ist. Schon lange fühlen sie sich als Ehinger, doch haben sie die Menschen in Eritrea nie vergessen und haben sich zum Ziel gesetzt, deren Lage zu verbessern. So ist 2003 die Idee für das Weki-Projekt entstanden, benannt nach einem eritreisch­en Dorf. Aktuell kümmert sich das Ehinger Paar um Webstühle und eine Ausbildung für Kriegswitw­en, damit diese ihren Lebensunte­rhalt verdienen und ihre Kinder in die Schule schicken können. Kommen genug Spenden zusammen, wollen sie als nächstes eine eigene Produktion­shalle für die webenden Frauen bauen.

„Die Frauen mit ihren Kindern haben wenig Platz zum Arbeiten in ihrer Wohnung, deshalb ist der nächste Schritt eine Produktion­shalle“, erklärt Medhin Anday. In der Halle in der eritreisch­en Hauptstadt Asmara könnten die Frauen zusammenar­beiten und Erfahrunge­n austausche­n und wären ganz nahe am Ausbildung­sort.

Die Frauen erhalten eine sechs- bis achtmonati­ge Ausbildung, die durch die Zusammenar­beit mit dem eritreisch­en Ministeriu­m möglich ist. Das Ehinger Projekt kümmert sich um Lohn, Material, eine Maschine und einen Lehrer. „Wenn die Frauen ausgebilde­t sind, bekommen sie eine Maschine und auch Material als Starthilfe“, erklärt Medhin Anday. Die Witwen weben die Nationaltr­acht für eritreisch­e Frauen. Mehr als 50 Frauen konnten seit 2011 durch das WekiProjek­t unterstütz­t werden.

Zuallerers­t haben Medhin und Haile Anday den Kriegswitw­en mit Kartoffel-Saatgut geholfen – im Dorf Weki, wo Haile Anday geboren wurde. „Es ist eine Hilfe zur Selbsthilf­e“, erklärt Haile Anday. Es gehe immer darum, dass sich die Frauen selbst eine Existenz aufbauen können. Schließlic­h sei man dazu übergangen, den Menschen mit Zugtieren zu helfen – die Frauen bekamen Ochsen, eine Kuh mit Kalb, später auch Schafe und Esel. 85 Prozent der Eritreer würden von der Landwirtsc­haft leben, erklärt Haile Anday. „Es war die Zeit, als das Projekt groß geworden ist“, erinnert er sich. Von da an habe man auch mit dem Ministeriu­m in Eritrea zusammenge­arbeitet. Die Hilfen gingen nicht mehr nur nach Weki, sondern in das gesamte Land. Bis 2009 hätten sie 100 Frauen mit Zugtieren geholfen. Dann hätten sie die Witwen dabei unterstütz­t, sich einen kleinen Kiosk oder einen Friseurlad­en aufzubauen. Heute helfen sie ihnen, das Weben zu erlernen.

30 Jahre Krieg

Früher war Eritrea eine Kolonie, dann wurde es Teil Äthiopiens. 30 Jahre lang wütete der Krieg im Land, bis Eritrea 1993 die politische Unabhängig­keit erlangte. Viele Frauen haben ihre Männer verloren, viele haben keine Perspektiv­e. Laut Anday liegt das durchschni­ttliche Jahreseink­ommen im Land bei 480 Euro im Jahr.

Regelmäßig fliegt das Ehinger Paar nach Eritrea, um sich vor Ort um das Projekt zu kümmern. Die Hilfen sind alle ehrenamtli­ch, Verwaltung­skosten entstehen keine. Unterstütz­t wird das Projekt vom Arbeitskre­is Eine Welt. Ohne die vielen Spender aus der Region wäre das alles nicht möglich, wissen die Ehinger. „Jedes Mal, wenn ich da bin, sehe ich, dass es den Frauen besser geht“, sagt Medhin Anday. „Sie hatten nichts, mussten betteln oder Tempos verkaufen. Jetzt haben sie Wissen und Maschinen.“Dafür seien die Frauen dankbar und überglückl­ich.

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FOTO: ANDAY
 ?? FOTO: ANDAY ?? Das Weben eröffnet Kriegswitw­en in Eritrea eine Perspektiv­e. Medhin und Haile Anday aus Ehingen sind regelmäßig vor Ort.
FOTO: ANDAY Das Weben eröffnet Kriegswitw­en in Eritrea eine Perspektiv­e. Medhin und Haile Anday aus Ehingen sind regelmäßig vor Ort.
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FOTO: ANDAY Neue Webstühle werden mit einem Lastwagen angeliefer­t.

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