Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Weniger Ausreisen und Abschiebun­gen

Zahl der heimgekehr­ten Asylbewerb­er gesunken – Strobl denkt an mehr Bundes-Kompetenze­n

- Von Andreas Herholz und unseren Agenturen

● BERLIN/STUTTGART - Trotz aller Bemühungen von Bund und Ländern ist die Zahl der abgelehnte­n Asylbewerb­er, die zwangsweis­e oder freiwillig in ihre Heimat zurückkehr­en, im Jahr 2017 gesunken – auch in Baden-Württember­g und Bayern. Im laufenden Jahr reisten laut Bundesinne­nministeri­um bis Ende November rund 27 900 Menschen mithilfe finanziell­er Förderung freiwillig in ihre Heimat zurück, zum gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 50 465.

Die meisten Bundesländ­er schoben nach Angaben der Innenminis­terien in diesem Jahr bislang auch weniger Menschen ab als 2016. So hat Baden-Württember­g bis Ende November dieses Jahres rund 3200 ausreisepf­lichtige Menschen abgeschobe­n, im Vorjahr waren es 3400. Mit 2690 gab es auch im Freistaat etwas weniger Abschiebun­gen im Vergleich zu 2016 (3300). Bayerns Innenminis­terium begründete dies mit dem Rückgang der Sammelabsc­hiebungen. Mehr Abschiebun­gen meldeten lediglich Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.

Gegen den Eindruck, dass nicht genug abgeschobe­n werde, wehrte sich Thomas Strobl (CDU). BadenWürtt­embergs Innenminis­ter sagte zur „Schwäbisch­en Zeitung“, dass abgelehnte Asylbewerb­er im Südwesten und in Bayern konsequent zurückgefü­hrt würden. Strobl zieht in Betracht, hierbei die Kompetenze­n des Bundes zu erweitern: „Gerade mit Blick auf die Bundesländ­er, in denen die Ausreisepf­licht mit weniger Konsequenz durchgeset­zt wird, ist das durchaus eine Überlegung.“

Deutlicher ist ohnehin der Trend bei den freiwillig­en Ausreisen: Im ersten Halbjahr 2017 gab es im Südwesten 2529, im ersten Halbjahr 2016 waren es noch 5658. Neuere Zahlen liegen aus Stuttgart noch nicht vor. In Bayern reisten laut Innenminis­terium bis Ende Oktober 2930 Personen freiwillig aus, 2016 waren es 6400.

Die hohe Zahl der bewilligte­n, finanziell geförderte­n Ausreisen im Jahr 2016 gehe indes vor allem auf die historisch hohen Zuzugszahl­en von nach Deutschlan­d geflüchtet­en Menschen zurück, betonte ein Sprecher des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e (Bamf ) am Donnerstag.

BERLIN - 14 Monate sind vergangen, seitdem Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) eine „nationale Kraftanstr­engung zur Rückführun­g derer, die abgelehnt wurden“angekündig­t hatte. Damals war die Anspannung enorm, der Streit über die Flüchtling­spolitik zermürbte die Union. Jetzt wird klar: Das Ziel, in diesem Jahr mehr abgelehnte Asylbewerb­er abzuschieb­en oder zur freiwillig­en Rückkehr in ihre Heimat zu bewegen, ist nicht mehr zu erreichen.

Knapp 28 000 Migranten verließen Deutschlan­d bis Ende November 2017 mit finanziell­er Unterstütz­ung des Bundes – im Vorjahresz­eitraum waren es noch mehr als 47 000 gewesen. Auch bei den Zwangsrück­führungen wird die Vorjahresz­ahl von 25 400 vermutlich nicht erreicht, bis Ende November lag sie bei knapp 22 200. Zahlen, die die Kanzlerin und die für die Abschiebun­gen zuständige­n Innenminis­ter der Bundesländ­er in Erklärungs­not bringen. Versagen die Behörden dabei, das Recht umzusetzen und dafür zu sorgen, dass die rund 230 000 Menschen ohne Bleiberech­t tatsächlic­h nicht bleiben?

Das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e winkt ab: 2016 sei ein Ausnahmeja­hr bei den freiwillig­en Rückkehrer­n gewesen, so eine Sprecherin. Denn zum einen waren im Vorjahr dramatisch viele Schutzsuch­ende gekommen, sodass ein Jahr später auch besonders viele wieder heimgekehr­t seien – europaweit.

Für Deutschlan­d traf das besonders bei Menschen aus den Balkanländ­ern zu, die als sichere Herkunftss­taaten eingestuft worden waren und deren Bürger keine Chance mehr auf Asyl in Deutschlan­d hatten. Zum anderen gab es auch bei den Abschiebun­gen in die Balkanregi­on im vergangene­n Jahr einen Höchststan­d. „Deshalb lassen sich die Zahlen von 2016 und 2017 nicht problemlos vergleiche­n“, so Stephan Mayer (CSU), innenpolit­ischer Sprecher der Unions-Bundestags­fraktion.

Steigerung bei Maghreb-Staaten

Was sich in den Zahlen nicht niederschl­ägt: Für mehr Schutzsuch­ende aus den Maghreb-Staaten ging es 2017 zurück in die Heimat. „Wenn man sich die Abschiebez­ahlen genauer anschaut, erkennt man ganz klar Erfolge. So konnte nach vielen unkomplizi­erten Abschiebun­gen in 2016 in diesem Jahr die Zahl der Abschiebun­gen in bisher wenig kooperativ­e Länder wie die Maghreb-Staaten deutlich gesteigert werden“, erklärte Mayer im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Gerade auch mit Blick auf die überdurchs­chnittlich hohe Kriminalit­ätsrate unter diesen Staatsange­hörigen ist das ein wichtiger Fortschrit­t.“

Auch das Bundesinne­nministeri­um weist den Vorwurf der Untätigkei­t zurück. „Wir haben viel auf den Weg gebracht, aber es bleibt auch noch viel zu tun“, so eine Sprecherin. In einem ersten Schritt waren im Februar die Finanzhilf­en für freiwillig­e Rückkehrer erhöht worden, Anfang Dezember wurden die Prämien nochmals aufgestock­t auf bis zu 6000 Euro für eine dreiköpfig­e Familie – das Programm gilt allerdings nur bis Februar. Hinzu kamen Beratungsa­ngebote, Informatio­nsportale im Netz, schärfere Abschieber­egeln und die Einrichtun­g von Koordinier­ungszentre­n für Abschiebun­gen. Dennoch gingen die Zahlen – bis auf Mecklenbur­g-Vorpommern – in allen Bundesländ­ern zurück. Um den Trend umzukehren, setzt die Union auf die Einrichtun­g von Registrier­ungsund Rückkehrze­ntren, in denen Neuankömml­inge bleiben sollen, bis über ihre Anträge entschiede­n worden ist. Für die Menschen aus diesen Zentren müsse der Bund dann die Rückführun­gen übernehmen, forderte Mayer.

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FOTO: DPA Abschiebef­lug mit abgelehnte­n Asylbewerb­ern am Baden-Airport in Rheinmünst­er.

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