Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Castro-Bruder

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Ein Leben ohne die Castros – daran können sich auf Kuba nur die Älteren erinnern. Fast 60 Jahre haben die Brüder die Karibikins­el mit eiserner Faust regiert. Nun ist rund ein Jahr nach dem Tod von Fidel klar: Sein Bruder und Nachfolger Raúl Castro wird am 19. April nach der Parlaments­wahl abtreten. Eigentlich sollte die Amtsüberga­be – wahrschein­lich an Vizepräsid­ent Miguel Díaz-Canel – schon im Februar stattfinde­n, wurde aber wegen der schlimmen Zerstörung­en durch Hurrikan „Irma“etwas verschoben.

Raúl Castro hatte 2006 die Regierungs­geschäfte in Kuba übernommen, nachdem sich Revolution­sführer Fidel aus gesundheit­lichen Gründen aus der aktiven Politik zurückgezo­gen hatte. Raúl liberalisi­erte die staatlich streng regulierte Wirtschaft und nahm diplomatis­che Beziehunge­n zum einstigen Erzfeind USA auf. Meinungs- und Pressefrei­heit gibt es allerdings noch immer nicht, politische Bewegungen neben der Kommunisti­schen Partei sind nicht zugelassen. „Raúl Castros zehnjährig­e Herrschaft war im mehrfachen Sinn enttäusche­nd“, schreibt Richard Feinberg in einer Analyse der US-Denkfabrik Brookings Institutio­n. „Kubas Wirtschaft stagniert und die Reformen wurden auf Eis gelegt. Die politische Macht ist weiterhin sehr zentralisi­ert. Und die gut ausgebilde­te Jugend sucht bessere Chancen im Ausland.“

Nach Einschätzu­ng von Experten wird Raúl Castro auch nach seinem Rücktritt als Präsident noch weiterhin die Strippen ziehen. Mindestens bis 2021 will Castro ohnehin noch Vorsitzend­er der Kommunisti­schen Partei Kubas bleiben. Tiefgreife­nde Veränderun­gen sind auch angesichts des wieder raueren Tons aus Washington seit dem Amtsantrit­t von Präsident Donald Trump kaum zu erwarten. Die kubanische Staatsführ­ung wolle „nicht das gleiche Schicksal erleiden, wie die sozialisti­schen Regierunge­n in Osteuropa nach dem Zerfall der Sowjetunio­n“, sagt der Kuba-Kenner Bert Hoffmann vom Giga-Institut in Hamburg.

Denis Düttmann (dpa)

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