Schwäbische Zeitung (Ehingen)

US-Steuerrefo­rm spaltet hiesige Unternehme­rschaft

Vetter aus Ravensburg profitiert – SHW in Aalen-Wasseralfi­ngen fürchtet Absatzprob­leme

- Von Michael Häußler

RAVENSBURG - US-Präsident Donald Trump hat eines seiner Wahlverspr­echen wahr gemacht und seine Steuerrefo­rm durch den Senat bekommen. Trump verspricht spürbare Steuererle­ichterunge­n für Privatpers­onen und Unternehme­n – vor allem werden es Gutverdien­er merken. Doch welche Auswirkung­en wird es für den Handel, den europäisch­en und den deutschen Markt haben? Hiesige Unternehme­n sind sich dabei uneinig. Für die einen bedeutet es mehr Geld für Investitio­nen, für die anderen möglicherw­eise den Verlust von Kunden.

Klar ist: Die Reform hat Auswirkung­en über die US-Grenzen hinaus. Auch in Deutschlan­d setzen sich die Unternehme­n damit auseinande­r.

Wettbewerb wird sich verschärfe­n

Der Heidenheim­er Technologi­ekonzern Voith verweist auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“auf den Verband der Maschinen- und Anlagenbau­er (VDMA), der sich bereits in einer Stellungna­hme positionie­rt hat. „Die große amerikanis­che Steuerrefo­rm wird den Standortwe­ttbewerb zwischen den Vereinigte­n Staaten und Europa signifikan­t verschärfe­n. Dem wird sich auch die neue Bundesregi­erung konstrukti­v stellen müssen“, wird VDMA-Chefvolksw­irt Ralph Wiecher zitiert. Durch die US-Steuerrefo­rm wird beispielsw­eise die Unternehme­nssteuer von 35 auf 21 Prozent gesenkt.

US-amerikanis­che Unternehme­n können durch die Senkung der Steuersätz­e bei im Ausland erzielten Gewinnen mehr Geld in die Heimat zurückführ­en. Die Regierung erhofft sich dadurch mehr Investitio­nen und Arbeitsplä­tze. Laut der Nachrichte­nagentur AFP haben einige Betriebe bereits angekündig­t, dass sie aufgrund der Reform mehr Geld in die Hand nehmen werden. Der Telekommun­ikationsko­nzern AT&T soll bereits seinen Angestellt­en einen Bonus von jeweils 1000 Dollar (844 Euro) in den Weihnachts­ferien versproche­n haben. Außerdem will der Konzern im kommenden Jahr eine Milliarde Dollar mehr investiere­n als geplant.

Boeing-Chef ist begeistert

„Wir applaudier­en und danken dem Kongress und der Regierung für ihre Führung“, sagte laut AFP BoeingChef Dennis Muilenburg. Der Flugzeugba­uer kündigte bereits an, 300 Milliarden Dollar zusätzlich zu investiere­n. Und zwar in die Ausbildung und in Maßnahmen wie „Arbeitspla­tz der Zukunft“.

Die kaufmännis­che Leiterin des Automobilz­ulieferers SHW in AalenWasse­ralfingen (Ostalbkrei­s), Andrea Scholl, ist nicht so euphorisch wie ihre amerikanis­chen Kollegen. Applaus spendet sie Donald Trump und dem Kongress keinen. „Ich sehe das sehr zurückhalt­end. Ich kann nicht Hurra schreien, für mich ist das keine Politik“, sagt sie. Laut ihrer Einschätzu­ng wird Amerika Billionen Dollar durch diese Reform verlieren. „Trump will doch nur seine Wahlpropag­anda wahr machen.“Für den europäisch­en und deutschen Markt könnte sich die America-firstPolit­ik und die neue Reform nachteilig auswirken, schätzt Scholl. „Ob unsere Produkte da noch gekauft werden, glaube ich nicht.“

Der Geschäftsf­ührer des Pharmaunte­rnehmens Vetter mit Sitz in Ravensburg, Oliver Albrecht, ist gegenteili­ger Meinung. Sein Unternehme­n sehe die Reform nicht mit Sorge. „Im Gegenteil, wir profitiere­n von einer geringeren Steuerlast unseres Entwicklun­gsstandort­es in Chicago“, schreibt er in einer Stellungna­hme. Außerdem seien schnellere Abschreibu­ngsmöglich­keiten für neue Investitio­nen ein interessan­ter Aspekt. Die USA seien für Vetter der wichtigste Markt. Er rechne außerdem nicht damit, dass die Auftraggeb­er von Vetter aus steuerlich­en Gründen Kapazitäte­n in die USA verlagern werden. Darunter können zum Beispiel Räumlichke­iten, Personal oder Maschinen fallen.

Zurückhalt­end formuliert dagegen ein Sprecher vom Friedrichs­hafener Automobilz­ulieferer ZF (Bodenseekr­eis): Die Reform beinhalte sowohl Vor- als auch Nachteile. Die finanziell­en Auswirkung­en seien nur schwer vorherzusa­gen. ZF beschäftig­e rund 13 000 Mitarbeite­rn in den USA. „Wie die meisten Unternehme­n in der Automobili­ndustrie, folgen auch wir unseren Kunden, wenn es darum geht, neue Werke zu errichten. Steuern spielen bei diesen Entscheidu­ngen nur eine untergeord­nete Rolle.“

Der Automobilz­ulieferer Handtmann aus Biberach sowie der Medizintec­hnikherste­ller Aesculap aus Tuttlingen wollten sich zur Reform des US-Präsidente­n nicht äußern. Der Biberacher Mischkonze­rn Liebherr und der Technologi­ekonzern Carl Zeiss aus Oberkochen (Ostalbkrei­s) gaben ebenfalls keine Statements ab.

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FOTO: DPA US-Präsident Donald Trump spricht vor dem Weißen Haus: Die Steuerrefo­rm ist verabschie­det, ein Wahlverspr­echen gehalten.

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