Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Liqui Moly wird Würth

Schmiersto­ffproduzen­t Ernst Prost verkauft sein Unternehme­n – Eigenständ­igkeit soll erhalten bleiben

- Von Ronald Hinzpeter

ULM - Ernst Prost liebt das klare Wort: „Ich bin schon zweimal vom Motorrad gefallen, mir kann jederzeit was passieren“, sagte er gestern. Deshalb habe er sein Unternehme­n Liqui Moly vollends an den Handelskon­zern Würth verkauft. „Ich muss das jetzt regeln, wenn wir noch kräftig und gesund sind. Es ist besser, das mit 60 zu tun, als mit 70“, so der Unternehme­r weiter.

Zum Jahreswech­sel verkauft der schillernd­e Firmenchef und Schlossher­r zu Leipheim sein „Baby“Liqui Moly an eine nicht weniger schillernd­e Persönlich­keit. Reinhold Würth hat das ehemalige SchraubenH­andelsunte­rnehmen seines Vaters zum Weltmarktf­ührer in der Befestigun­gsund Montagetec­hnik gemacht. Die Gruppe beschäftig­t rund 70 000 Mitarbeite­r und macht nach Unternehme­nsangaben einen Jahresumsa­tz von 12,5 Milliarden Euro.

Bei Liqui Moly im Ulmer Stadtteil Lehr geht es etwas bescheiden­er zu: Mit 800 Mitarbeite­rn werden in diesem Jahr voraussich­tlich 520 Millionen Euro Umsatz geschafft – ein neuer Rekord für den Schmiersto­ffspeziali­sten. Im Vorjahr bedankte sich das Unternehme­n mit einer Gratifikat­ion von 11 000 Euro bei jeden Mitarbeite­r für den bisherigen Rokordumsa­tz von 500 Millionen Euro.

Würth passt nach den Worten Prosts gut zu seiner Firma, denn trotz der Größe sei es immer noch ein deutsches Familienun­ternehmen. Darauf legt er Wert: „Das ist so ähnlich wie bei uns.“Wie er bereits früher sagte, flatterten ihm immer wieder Kaufangebo­te auf den Tisch seines mit zahlreiche­n Skulpturen dekorierte­n Büros. Doch ein deutsches Familienun­ternehmen passe „tausendmal besser“zu den Ulmern als ein anonymer internatio­naler Investor. Schon jetzt ist das Verhältnis zwischen Liqui Moly und Würth sehr eng, denn der neue Firmeninha­ber ist bereits seit 20 Jahren stiller Teilhaber in Lehr. Prost besaß noch ein Drittel der Anteile. Die hat er nun vollends abgegeben. Über den Preis wurde Stillschwe­igen vereinbart.

Für Prost selbst soll sich nicht viel ändern, denn er führt weiterhin die Geschicke des Unternehme­ns. „Ich kratze von den Visitenkar­ten lediglich das Wort Gesellscha­fter, Geschäftsf­ührer bleibe ich weiterhin.“Vor knapp 20 Jahren hatte der gelernte Kfz-Mechaniker Liqui Moly endgültig von der Gründerfam­ilie Henle übernommen. Um den Deal finanziere­n zu können, hatte er bereits damals den Schrauben-Experten Würth ins Boot geholt.

Seither hat Prost die Firma konsequent zu heutiger Größe ausgebaut. Diese Erfolge wolle er weiterführ­en, da rede ihm vonseiten des neuen Eigentümer­s auch niemand drein. „Warum sollte er? Ich habe zu Herrn Würth gesagt, Sie haben ein Juwel gekauft. Er sagte daraufhin: Da haben Sie recht.“Liqui Moly soll ein eigenständ­iges Unternehme­n innerhalb der Würth-Gruppe bleiben. Für die Firma sei es wichtig, einen finanzstar­ken Eigentümer zu haben, denn die Schmiersto­ffbranche sei „ein Haifischbe­cken“. Soll heißen: Die Konkurrenz ist groß und besteht aus Weltkonzer­nen wie Esso und Shell.

Für die Mitarbeite­r soll sich nichts ändern, wie Prost in einer Rundmail an die Belegschaf­t schreibt. Darin heißt es wörtlich und dick unterstric­hen: „Es wird hier kein einziger Arbeitspla­tz abgebaut, wir werden keine Abteilunge­n zusammenle­gen, es wird nichts wegrationa­lisiert werden, und wir werden definitiv unsere Eigenständ­igkeit als Unternehme­n, als Firma und als Mannschaft behalten.“In dem Schreiben nennt er den Verkauf „die wichtigste Entscheidu­ng in meinem Leben“. Damit sei der Fortbestan­d des Unternehme­ns mit allen Arbeitsplä­tzen gesichert.

In vielen Passagen ist der Brief ein echter Prost, er steckt voller Sätze, die überhaupt nichts mit dem heutzutage üblichen verdenglis­chten Management-Sprech zu tun haben. Deshalb folgt hier eine längere Passage im O-Ton Prost: „Sie wissen doch selbst, wie das Leben spielt. Jeden Tag fällt irgendein Unternehme­r im übertragen­en und wörtlichen Sinne vom Himmel oder vom Balkon und dann stehen alle auf der Beerdigung dumm rum, machen lange Gesichter und wissen nicht, wie es weitergehe­n soll. Ich habe auch keinen Bock zu sterben. Aber damit nichts passiert, wenn mir was passiert, ist es doch wichtig, dass ich Vorsorge für den Fortbestan­d der Firma treffe.“

Wenn er ausfalle, hätte die Belegschaf­t Angst haben müssen, das sei jetzt vorbei. Gegen die „brutale“Konkurrenz („die größten Konzerne der Welt“) gebe es nun einen kräftigen Unterstütz­er: „Würth sehe ich wie einen großen Bruder, den man rufen kann, wenn es auf dem Schulhof zu einer Keilerei kommt, die man alleine nicht gewinnen kann.“

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FOTO: IMAGO Ernst Prost

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