Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Arbeit am Bachmann-Mythos

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Helmut Böttiger hat ein Buch über die schwierige Beziehung zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan geschriebe­n.

„Es gibt Melodien und Lieder“, heißt es bei Gottfried Benn, „die schlagen dein Inneres nieder und du bist am Boden bis neun“. Der Titel des Buches von Helmut Böttiger „Wir sagen uns Dunkles“gehört dazu. Da muss man schon an sich halten. Es ist eines, die Zeile eines Gedichtes von Paul Celan zu zitieren, ein anderes, daraus einen kitschigen Buchtitel zu basteln.

Böttiger, der einen schönen und klugen Band über die Nachkriegs­literatur und die Gruppe 47 geschriebe­n hat, arbeitet in seinem neuem Buch die menschlich­en und literarisc­hen Beziehunge­n zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan auf. Oder vielmehr: Er arbeitet nach. Denn seitdem der Briefwechs­el der beiden veröffentl­icht ist, kann sich das Buch aufs kommentier­ende Nacherzähl­en beschränke­n.

Der Ton freilich, in dem dies geschieht, ist in seiner Distanzlos­igkeit sonderbar. Es ist nicht das einzige Buch, das über Ingeborg Bachmann neu erschienen ist, das Thema hat einen Lauf. Das kommt Böttiger nicht zugute. Denn andere kommen der Persönlich­keit „der Bachmann“und der Faszinatio­n näher, die sie auf ihre Zeitgenoss­en ausgeübt hat.

Gerade Böttiger hat in seiner Literaturg­eschichte auch kritische Blicke auf die Gruppe 47 geworfen, etwa ihren Umgang mit den literarisc­hen Emigranten, oder vielmehr: ihre programmat­ische Distanz zu ihnen. Zumeist eine Generation älter störten sie mit ihren Fragen und ihrem Stil die Aufbruchss­timmung der Jüngeren. Für die Gruppe erfüllten Bachmann und Celan markante Funktionen. Sie wurde zum Fräulein-Wunder für die Feuilleton­s und er zum Alibi für die „Vergangenh­eitsbewält­igung“. (man)

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