Nächstenliebe geht durch den Magen
NEU-ULM (hinz) - Weiße Leinentücher, Servietten, Unterteller und glänzendes Besteck: Die beiden Tische im Imbiss Rojava an der Bahnhofstraße in Neu-Ulm sind liebevoll eingedeckt und warten darauf, dass die Gäste kommen. Denn statt der arabischen Speisen, die dort sonst serviert werden, landet heute ein Drei-Gänge-Menü auf dem Tisch: Spinat- und Lachsröllchen und gefüllte Pastete als Vorspeise, Putenrollbraten, Rosenkohl und Pommes als Hauptgang sowie ein Schokoladenkuchen zum Dessert. Bezahlen muss hier am Ende niemand, denn das Essen stammt von den Ehrenamtlichen des Projekts „Gemeinsam Genießen“. Zweimal im Monat laden sie Bedürftige ein – und dabei geht es ihnen um mehr, als nur eine warme Mahlzeit auf den Tisch zu bringen.
Die Helfer kennen sich größtenteils von der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit. „Wir haben uns gedacht, dass es auch viele andere Bedürftige hier gibt“, sagt Tosca-Michaela Szmrecsanyi vom Team der Ehrenamtler. So kam im Frühjahr die Idee für „Gemeinsam Genießen“auf. „Wir wollten ein Angebot schaffen, bei dem sich die Bedürftigen wohlfühlen“, erklärt die 70-Jährige das Prinzip. Dazu gehöre neben den hübsch gedeckten Tischen auch das Prinzip, ein Drei-Gänge-Menü zu servieren. „Wir wollten ihnen nicht einfach nur einen Teller mit Suppe hinknallen und sie einfach nur abfüttern.“Stattdessen stehen der Genuss und das gemeinsame Beisammensein im Vordergrund. Damit die Bedürftigen von dem Angebot erfahren, verteilt Szmrecsanyi Flyer bei Obdachlosenheimen oder den Tafeln.
Die Vesperkirche in Ulm ist ein bisschen das Vorbild für das Projekt, wie Thea Krämer erklärt. Die 67-Jährige war es, die bei Hussein Ahmad, dem Inhaber des Rojava nachgefragt hat, ob die Gruppe die Räume nutzen kann – und er sagte direkt zu. „Ich mag solche Projekte und freue mich, dass ich Leuten helfen kann“, erklärt er. Das Kernteam, bestehend aus acht Helfern, wechselt sich beim Kochen ab. Zubereitet wird das Essen im Sportheim in Straß, denn zu Hause kochen dürfen die Helfer wegen bestimmter Hygienebestimmungen nicht. Über die Hilfe der Sportler freuen sich die Ehrenamtlichen. „Als Dank, habe ich schon gesagt, mache ich auch für die mal den Koch“, sagt Krämer. Neben ein paar privaten Unterstützern hilft zudem die Firma Settele mit Produktspenden, ergänzt Szmrecsanyi.
Aufgetischt wird immer am 22. und 28. eines Monats – auch, wenn es ein Sonntag ist. Die Termine hat die Gruppe um Szmrecsanyi ganz bewusst ausgesucht. Denn zu Monatsende sei oft „nicht mehr viel Geld in der Börse“, sagt die 70-Jährige. Das Konzept geht auf: Über 20 Menschen sind beispielsweise einmal an einem Mittag im November gekommen, manche waren bereits zum wiederholten Male da. Doch wie viele Gäste am Ende kommen, ist auch für die Helfer jedes Mal aufs Neue eine Überraschung. Wie sie dann wissen, wie viel sie kochen müssen? „Gar nicht, wir haben keine Ahnung“, sagt Szmrecsanyi und lacht. Sie bereiteten das Essen immer für 25 Personen vor, was übrig bleibt, nehmen die Ehrenamtlichen dann selbst mit nach Hause. Am heutigen Freitag wird von 12 bis 14 Uhr wieder gemeinsam gegessen. Krämer will Tiramisu zubereiten, wie sie verrät. „Aber auf meine besondere Art.“