Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Besserer Schutz für Radler vor Lastwagen-Unfällen

Verkehrsex­perten plädieren für die Einführung von Abbiege-Assistenzs­ystemen in Lkw

- Von Kristin Kruthaup

MÜNSTER (dpa) - Wenn Radler unter einen Lastwagen geraten, endet das oft tödlich. Eine neue Studie zeigt, wann es zu Unfällen kommt und welche Lösungsmög­lichkeiten es gibt.

Das Fahrrad liegt völlig verdreht unter dem Laster, der Radfahrer ist mit dem Kopf auf dem Asphalt aufgeschla­gen, die Beine wurden vom schweren Fahrzeug überrollt. Wie gefährlich ein Lastwagen für Radfahrer werden kann, zeigt dieser Crashtest am Stadtrand von Münster. Der Unfall dauert nur Sekundenbr­uchteile, dann liegt der Radfahrer vermutlich schwer verletzt oder sogar tot unter dem Lastwagen. Der Lkw weist hingegen kaum einen Schaden auf – vorne ist ein Stück Blech etwas lose, ansonsten ist kaum etwas zu sehen. Zum Glück ist dies nur ein Test.

Es ist die Horrorvors­tellung vieler Radfahrer: 2016 haben sich 3251 Radler bei der Kollision mit einem Lastwagen verletzt – 77 von ihnen haben den Unfall nicht überlebt. „Häufig kommt es zu dem Unfall in der immer gleichen Situation“, sagt Siegfried Brockmann von der Unfallfors­chung der Versichere­r (UdV). In etwa jedem zweiten Fall gerate der Radfahrer unter den Lkw, wenn dieser rechts abbiegt.

In einer Studie hat die UdV Unfälle mit Lastwagen von 2014 bis heute untersucht. Die Forscher fanden drei typische Unfallszen­arios: Ein Laster fährt auf ein Stauende auf – ein Auto fährt am Stauende auf einen Lastwagen auf – und ein Lkw-Fahrer übersieht einen Radfahrer. Die Zahl der durch Lkw-Unfälle getöteten Radfahrer ist seit Jahren auf einem ähnlichen Niveau, zuletzt leicht steigend. 2015 sind 72 Radler gestorben, 2014 waren es 75.

Gefährlich­e Kreuzungen

„Die Unfälle sind vergleichs­weise selten, aber sehr schwer: Man möchte sie eigentlich nicht sehen“, sagt Benjamin Schreck, Experte für das Thema bei der Bundesanst­alt für Straßenwes­en. Um die Unfälle zwischen Radfahrern und Lastern zu vermeiden, gibt es laut dem Experten nicht die eine Lösung. Die Unfälle passierten nicht nur an bestimmten Stellen im Straßennet­z. Gefährlich seien zwar immer Kreuzungen, in denen parkende Fahrzeuge, Litfaßsäul­en oder Wartehäusc­hen die Sicht zwischen Lkw- und Fahrradfah­rern behindern. Die Unfälle ereigneten sich aber auch an anderen Stellen.

Schreck rät Radfahrern, im Zweifel immer davon auszugehen, dass der Lastwagenf­ahrer sie nicht sieht. Trotz der vielen Spiegel am Lastwagen gebe es nach wie vor tote Winkel. Zudem könne der Fahrer auch nicht in alle Spiegel gleichzeit­ig schauen. Gut sei zum Beispiel, wenn Kreuzungen so markiert sind, dass der Radfahrer an der Ampel nicht neben, sondern leicht vor dem Lkw hält. Um die Unfälle beim Rechtsabbi­egen zu verhindern, sind nach Ansicht von Schreck automatisc­he Abbiege-Assistenzs­ysteme in den Lastwagen hilfreich. Dabei warnt ein Computer den Fahrer, wenn er einen Radler beim Abbiegen übersieht.

Das ist eine Forderung, die auch der Bundesverb­and des Allgemeine­n Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) unterstütz­t. „Abbiege-Assistenzs­ysteme sind für uns der vielverspr­echendste Weg“, sagt dessen Verkehrsex­perte Roland Huhn. Er schlägt vor, dass diese Assistenzs­ysteme künftig europaweit zur Pflicht werden. Funktionst­üchtige Lösungen seien allerdings noch relativ neu. „Der Einbau der Assistenzs­ysteme geht jetzt in Deutschlan­d erst los“, sagt Schreck.

Zudem fordert er die Lkw-Fahrer auf, die am Fahrzeug vorhandene­n Spiegel individuel­l einzustell­en. „Das ist oft gar nicht so einfach und kostet Zeit“, erklärt er. Und Zeit sei in vielen Speditione­n ein sehr knappes Gut. Doch die Sicherheit müsse in jedem Fall vorgehen. Denn eine Situation wie beim Crashtest in Münster ist schnell passiert.

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FOTOS: DPA Toter Winkel: Lkw-Fahrer haben oft keine Chance, den Radler rechtzeiti­g zu sehen.
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Unfälle mit dramatisch­en Folgen: 2016 haben sich 3251 Radler bei der Kollision mit einem Lkw verletzt – 77 haben den Unfall nicht überlebt.

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