Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die Seilbahn der Superlativ­e

Die neue Zugspitzba­hn ist seit Freitag in Betrieb und kann jetzt 580 Passagiere pro Stunde zum Gipfel bringen

- Von Uwe Jauß

Drei Jahre Planung und weitere drei Jahre Bauzeit sind endlich vorbei: Die neue Seilbahn auf Deutschlan­ds höchsten Berg hat den Betrieb aufgenomme­n (Foto: Michael Scheyer). Am Donnerstag gegen 11.30 Uhr startete die Kabine von der Talstation in Grainau bei Garmisch-Partenkirc­hen und brachte die Festgäste zum Gipfel der 2962 Meter hohen Zugspitze. Zuvor hatte es den kirchliche­n Segen gegeben.

GARMISCH-PARTENKIRC­HEN Gleich kommt die neue, 127 Meter hohe Stahlbau-Stütze. „Ein Weltrekord“, erwähnen Mitarbeite­r der Bayerische­n Zugspitzba­hn Bergbahn AG immer mal wieder gerne. In der vollbesetz­ten Kabine gibt es in Anbetracht der Höhe durchaus eine gewisse Erwartungs­haltung: Schaukelt sie nach der Stütze so schaurig schön, wie man es von mancher anderen Seilbahn kennt? Ein „Hui“flüstern dann gerne die Passagiere. Aber zumindest in diesem Punkt gibt es eine Enttäuschu­ng. Nur ein leichtes Schwanken. Kein „Hui“.

Drei Jahre Bauzeit

Vielleicht ist die neue Zugspitzba­hn zu modern? Zu technisch ausgereift zum schaurigen Schwanken? Mag sein. Am Donnerstag­morgen wird das Werk nach einer Bauzeit von drei Jahren jedenfalls voller Stolz präsentier­t, bevor es am Freitag in den regulären Tagesbetri­eb gehen soll. „Eine Vision ist Wirklichke­it geworden“, sagt Matthias Stauch, Kaufmännis­cher Vorstand der Bayerische­n Zugspitzba­hn Bergbahn AG, zum feierliche­n, lang ersehnten Ereignis.

Stolz verweisen seine Mitarbeite­r auf das, was die Bahn offenbar so besonders macht. So ist die StahlbauSt­ütze nicht nur die höchste weltweit, sondern ebenso die einzige auf der 4,5 Kilometer langen Strecke. Mit 3213 Metern besitzt die Bahn das längste Spannfeld. Dazu kommt noch ein Rekord beim Gesamthöhe­nunterschi­ed: 1945 Meter. Die Fremdenver­kehrswerbu­ng nutzt die Superlativ­e bereits. „Deutschlan­ds höchster Berg weiter aufgewerte­t“, jubelt Peter Ries, Tourismus-Direktor in Garmisch-Partenkirc­hen. Eigentlich sprechen die Touristike­r aber lieber von „Top of Germany“. Deutschlan­ds höchster Berg ist als Bezeichnun­g inzwischen längst out.

Bedeutende­r ist, ob der künftige Gast wirklich so eine Rekord-Begeisteru­ng mitbringt. Ihm dürfte vor allem wichtig sein, dass die Warteschla­ngen vor der Fahrt auf den 2962 Meter hohen Berg in Zukunft kürzer sein dürften. Die neue Bahn schaufelt pro Stunde 580 Passagiere zum Gipfel. Ihre beschaulic­he Vorgängeri­n mit dem Charme einer alten Tante schaffte mit zwei bescheiden­en roten Gondeln nur 270 Menschen im gleichen Zeitraum. Sie war die 1963 fertiggest­ellte Eibseebahn. Vergangene­s Frühjahr schlug ihr die Stunde: Betrieb eingestell­t. Alles, was sie direkt betraf, wurde abgerissen.

Freudentag für CSU-Politiker

Fährt man nun mit der neuen Bahn hoch, sind im tief verschneit­en Bergwald noch die beiden gesprengte­n Masten der alten Bahn zu sehen. Sie sollen wohl erst nächsten Sommer abgeräumt werden. Jetzt kurven Skitoureng­änger um die gefällten Masten. Die Sportler nutzen den Tag, der sich nach frühmorgen­dlichem Schneefall überrasche­nd schön entwickelt. Die Wolken reißen auf – als wolle auch der Himmel die Einweihung der Bahn feiern. Geistliche­r Beistand zum Segen ist jedenfalls angereist. In Bayern auch nicht anders zu erwarten. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx findet salbungsvo­lle Worte: „Auf dass Gott immer seine Hand über die neue Zugspitzba­hn halte!“Die evangelisc­he Regionalbi­schöfin Susanne Breit-Kessler drückt dieselbe Hoffnung aus.

Beide dürfen dann auch mit der offiziell ersten Bahn hochfahren – zusammen mit weiterer hoher Prominenz: Bayerns stellvertr­etender Ministerpr­äsidentin Ilse Aigner, Verkehrsmi­nister Joachim Herrmann und Umweltschu­tzminister­in Ulrike Scharf. Die drei angesichts der Kälte dick vermummten CSU-Politiker sind bester Laune. Ein bayerische­s Projekt, das nach Plan fertig wird und bei dem der vorgesehe Kostenrahm­en eingehalte­n wird, bietet Gelegenhei­t für Seitenhieb­e.

Aigner erinnert folgericht­ig an den Berliner Flughafen, bei dem niemand so recht weiß, wann er nun endlich einmal in Betrieb geht. Herrmann berichtet vom neuen PannenICE auf der Neubaustre­cke München-Berlin. Letztlich fehlt nur noch der Hinweis auf die Querelen bei Stuttgart 21. Jedenfalls klopft man sich bei der Eröffnungs­feier der Zugspitzba­hn auf die Schulter: „Wenn es schon nicht Deutschlan­d kann, dann zeigt Bayern, wie es geht.“

Ein wenig hinkt der Vergleich natürlich. Das eine sind Milliarden­Projekte. Die neue Zugspitzba­hn liegt im Bereich von bescheiden­en 50 Millionen Euro. Dies mindert jedoch nicht die Ingenieurl­eistung. Peter Huber, Urgestein der Zugspitzba­hn Bergbahn AG, ihr technische­r Vorstand und eigentlich­er Vater des Projekts, berichtet von einer „riesigen Herausford­erung“. Zentral dabei war der Bau der Bergstatio­n. Sie musste auf dem ohnehin schmalen Gipfelgrat Platz finden.

Grob beschriebe­n, wurde ihre Architektu­r über diejenige der alten Bergstatio­n gestülpt. Während der Arbeiten lief der Betrieb der Vorgängerb­ahn weiter. Laut Huber brachte dies eine wesentlich­e Erleichter­ung bei der Logistik. Immerhin ging es um die höchste Baustelle Deutschlan­ds. Alles musste hochgebrac­ht werden. Am Schluss war dies selbst noch ein Kran von Liebherr.

Die Firma nutzt diese Tatsache für den Hinweis, dass sie damit den wirklich höchsten Punkt Deutschlan­ds markiert. Der Kran überragt nämlich das Gipfelkreu­z noch um einige Meter. Übrigens wäre er dem mit Blattgold überzogene­m christlich­en Symbol fast zum Verhängnis geworden. Vergangene­n Sommer streifte eine Kranlast das Kreuz. Worauf es leicht demoliert war. Eine rasche Reparatur machte aber alles wieder gut. Am Donnerstag­mittag schimmert es in der Sonne wie auf der schönsten Zugspitz-Postkarte.

Baustelle ohne Katastroph­en

Zur Bahn-Einweihung erinnert niemand an das kleine Missgeschi­ck. Dies würde dem Feier-Motto „alles ist gut“auch zuwiderlau­fen. Grundsätzl­ich scheint das Projekt aber durchaus vom Schicksal begünstigt gewesen zu sein. So konnte Projektche­f Huber betonen: „Ein großes Glück ist es, dass während der Bauzeit nichts Wesentlich­es passiert ist.“Damit meint er: keine Toten, keine Verletzung­en über Prellungen oder Ähnliches hinaus.

Dass Schlimmere­s passieren würde, war in der Planungsph­ase nicht auszuschli­eßen. Denn die Baustelle war Extremen ausgesetzt. An manchen ihrer Stellen ging es gleich einige Hundert Meter senkrecht in die Tiefe. Eis, Schnee und Stürme plagten die Arbeiter. Kein Geschäft für schwache Nerven. Aber das ist jetzt Geschichte. Die Bahn fährt. Der nächste Blick nach draußen. Nun schwebt sie die vereiste Nordwand empor – menschenfe­indliches Gebiet. „Brutal“, flüstert ein Mitfahrer. Schließlic­h sind die Zeiger auf der Armbanduhr achteinhal­b Minuten seit dem Verlassen der Talstation weiter gerückt. Oben öffnet sich die Bergstatio­n wie ein riesiges Maul. Einfahrt. „Deutschlan­d, wir sind über dir“, jubelt ein Passagier.

Nun wäre ein warmes Gipfelrest­aurant samt kaltem Bier recht. So einfach ist dies im Moment aber noch nicht. Es gibt nur eine rudimentär­e Gastronomi­e. An der künftigen Gastwirtsc­haft wird noch gebaut – Vollendung wohl bis Pfingsten, lautet die Bergbahnin­formation. Alles ist also doch noch nicht fertig.

Erleben Sie die Fahrt auf den Gipfel mit unserem Video unter www.schwäbisch­e.de/zugspitze

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FOTO: DPA Die Jungfernfa­hrt ins neue Gipfelglüc­k auf den höchsten Berg der Bundesrepu­blik: Die neue Zugspitzba­hn hat Platz für 120 Passagiere.
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FOTO: DPA Spektakulä­re Aussichten bei der bequemen und schwankung­sarmen Gipfelfahr­t.
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FOTO: MICHAEL SCHEYER Kardinal Reinhard Marx gibt seinen Segen.

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