Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Mesale Tolu dankt ihren Helfern – und verspricht ein Fest

Pressefrei­heit: Neu-Ulmerin ist im Club Orange übers Internet zugeschalt­et – Härtel berichtet von Schikanen

- Von Sebastian Mayr

ULM - Als Mesale Tolus Gesicht auf der Wand erscheint, brandet im Club Orange Jubel auf. Doch dann macht die Technik Probleme. Die InternetVe­rbindung reißt ab, danach der Ton, schließlic­h das Bild. Dann, endlich, läuft alles. Tolu, die Neu-Ulmer Journalist­in, die am Montag aus der Haft in Istanbul entlassen wurde, ist über Videotelef­onie aus der Türkei zugeschalt­et. „Ich möchte mich bei euch allen bedanken“, ruft sie und wirft ihrer früheren Lehrerin Angelika Lanninger eine Kusshand zu. Lanninger hat sich für Tolus Freilassun­g eingesetzt. An diesem Freitagabe­nd in der Volkshochs­chule Ulm erhebt sie sich und winkt ihrer früheren Schülerin mit beiden Händen zu.

Die Neu-Ulmer Journalist­in ist zwar auf freiem Fuß, darf aber das Land nicht verlassen. Sie sagt: „Ich bin jetzt in einem größeren Gefängnis.“Wenn sie zurück an die Donau komme, werde es eine große Feier geben, verspricht Tolu. „Gerne würde ich jetzt einen Glühwein mit euch trinken“, sagt sie. Es fallen nicht nur lockere Worte. Sie habe gelernt, das Freiheit und Gerechtigk­eit die Bausteine des Lebens seien. Danach wolle sie weiter leben. Tolu bittet ihre Unterstütz­er, weiter zu demonstrie­ren: für andere politische Gefangene in der Türkei. Dieses Vorhaben hat Cengiz Dogan bereits angekündig­t. Er hat 30 Wochen lang jeden Freitag Mahnwachen für Mesale Tolu veranstalt­et. Die sollen jetzt monatlich fortgesetz­t werden. Auch vor der Schalte im Club Orange hatten sich die Unterstütz­er in der Hirschstra­ße getroffen.

Als Mesale Tolus Freilassun­g beschlosse­n wurde, war die LinkenBund­estagsabge­ordnete Heike Härtel als Beobachter­in im Gerichtssa­al in Istanbul. Auch sie ist am Freitagabe­nd zu Gast im Club Orange. Härtel berichtet: „Ich war erstaunt, wie stark und selbstbewu­sst Mesale mit ihrer langen Haft umgegangen ist.“Härtel schildert das stundenlan­ge Warten vor dem Gefängnis nach der richterlic­hen Entscheidu­ng und eine Irrfahrt durch die Stadt, bis der deutsche Botschafte­r Martin Erdmann auf einer Polizeiwac­he so vehement auf die Freilassun­g der Neu-Ulmerin gepocht habe, dass diese tatsächlic­h frei kam.

Erleicheru­ng in Ulm

Der Prozess gegen Mesale Tolu soll im April fortgesetz­t werden. An dem Abend in Ulm überwiegt trotz der verbleiben­den Unsicherhe­it Erleichter­ung. Angelika Lanninger umarmt Ali Riza Tolu. „Gut gemacht, Papa“, ruft sie und klopft ihm auf den Rücken.

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FOTO: ANDREAS BRÜCKEN Sahiner Dogan spricht auf der Kundgebung für Mesale Tolu.

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