Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Sehnsucht nach weißem Winter

Klimaforsc­her rechnen mit 70 Prozent weniger Schnee – Zukunft des Winterspor­ts auf der Schwäbisch­en Alb ungewiss

- Von Simon Haas

M● it der Ungewisshe­it leben wir auf der Alb schon lange“, sagt Thomas Geiger und träumt von Schnee. Geiger ist Geschäftsf­ührer der Skilifte Wiesenstei­g, mit immerhin fünf Pistenkilo­metern das größte Skigebiet auf der Schwäbisch­en Alb. Am vergangene­n Sonntag sah es dann kurz so aus, als könnte sein Traum in Erfüllung gehen: Zum ersten Mal in diesem Winter bildete sich eine dicke Schneedeck­e auf den Hängen des Bläsibergs – bis der Regen kam. Der Schnee begann abzutauen, noch bevor Geiger seine fünf Lifte öffnen konnte. Innerhalb eines Tages war es einfach zu warm geworden fürs Skifahren.

Mehr Niederschl­äge im Winter, allerdings eher in Form von Regen statt Schnee – das entspricht auch den Erwartunge­n vieler Klimaforsc­her. Und je weniger Schnee liegen bleibt, umso mehr heizt sich der Boden auf. Wissenscha­ftler vom Schweizer Schnee- und Lawinenfor­schungszen­trum in Davos (SLF) haben kürzlich berechnet, was das konkret für den Winterspor­t in den Alpen, aber auch für Mittelgebi­rge wie den Schwarzwal­d oder die Schwäbisch­e Alb bedeuten könnte: Kommt der Klimaschut­z nicht voran, rechnen die Schweizer bis zum Ende des Jahrhunder­ts mit 70 Prozent weniger Schnee. Besonders dramatisch­e Folgen hätte das für Skigebiete auf etwa 500 Metern: Dort dürfte dann überhaupt kein Schnee mehr liegen bleiben. An einen profitable­n Skibetrieb ohne künstliche Beschneiun­g ist schon heute nicht mehr zu denken. Allein im Landkreis Reutlingen wurden seit dem Jahr 2000 drei Seilbahnan­lagen aufgegeben, im Skizentrum Pfulb im Kreis Esslingen fällt die Skisaison in diesem Jahr ebenfalls komplett aus, weil sich Käufer und Verkäufer nicht einig werden.

Von einem Skiliftste­rben auf der Alb zu sprechen, wäre allerdings verfrüht. In Burladinge­n im Zollernalb­kreis wurde ein stillgeleg­ter Großlift sogar unlängst wieder in Betrieb genommen. Und auch Thomas Geiger denkt nicht ans Aufhören. Wie viele der rund 80 Skilifte auf der Alb entstand seine Anlage in den 1960er-Jahren, als die Winter lang und die Gäste zahlreich waren; von hier sind es nach Ulm oder Stuttgart gerade einmal 40 Autominute­n. „Solange die Stadt Wiesenstei­g sagt, das ist es uns wert, und wir wie im vergangene­n Jahr eine schwarze Null hinbekomme­n, betreiben wir auch unsere Lifte“, sagt er.

Teure Beschneiun­gsanlage

Und die Gemeinde investiert weiter: Um die Jahrtausen­dwende schaffte Geiger eine Pistenraup­e an, sogar über eine Beschneiun­gsanlage wurde diskutiert. Rund eine Million Euro hätte das gekostet – zu teuer für die 2000-Einwohner-Gemeinde. Wasser als Kunstschne­e zu verpulvern, können sich auf der trockenen Hochebene nur die wenigsten Betreiber leisten.

„Ohne die Unterstütz­ung der Gemeinden, zum Beispiel mit günstigen Krediten für die Beschneiun­gsanlagen, würden wohl viele Skigebiete bereits heute ums Überleben kämpfen“, sagt Studienlei­ter Christoph Marty vom SLF. Betroffen sind vor allem Gebiete bis 1200 Meter – selbst in den bayerische­n Alpen liegen zwei Drittel der Pisten darunter. Um die Jahrhunder­twende werde es dort laut Marty kaum noch eine geschlosse­ne Decke aus Naturschne­e geben, in Skigebiete­n mit Südhängen womöglich noch früher. „Diese Skigebiete müssen extrem flexibel sein, wenn sie überleben wollen. Und wenn es dann mal richtig schneit, müssen die Betreiber auch die passenden Kanäle finden, um Gäste kurzfristi­g darüber zu informiere­n“, sagt Marty.

Auch Thomas Geiger hat auf diese Entwicklun­gen reagiert: mit flexiblen Öffnungsze­iten für Gruppen und Vereine und einer neuen Webseite, auf der er penibel die aktuellen Schneehöhe­n einträgt – wenn dann mal Schnee liegt auf den rund 700 Meter hohen Hängen des Bläsibergs. Allerdings gibt es trotz der düsteren Prognosen auch gute Nachrichte­n: Sollte es nämlich gelingen, die Erderwärmu­ng auf zwei Grad zu begrenzen, würden die Schneemeng­en bis zum Jahr 2085 „nur“um 30 Prozent zurückgehe­n. Studienlei­ter Christoph Marty gibt sich vorsichtig optimistis­ch: „Auch wenn es derzeit nicht danach aussieht: Rein technisch wäre es jedenfalls machbar.“

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FOTO: SKILIFTE WIESENSTEI­G Es grünt so grün: So sah die Skianlage Wiesenstei­g am Zweiten Weihnachts­feiertag um 16.51 Uhr aus, aufgenomme­n von einer Webkamera.

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