Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Papst mahnt zu Mitgefühl mit Flüchtling­en

Appell an Nächstenli­ebe erntet in Italien auch Kritik – Nahostkonf­likt im Blickpunkt

- Von Thomas Migge

ROM - Papst Franziskus hat seine öffentlich­en Auftritte an Weihnachte­n für deutliche politische Äußerungen genutzt. Erneut bezog der Papst aus Argentinie­n Position – für eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten und für eine entschiede­nere Einwanderu­ngspolitik.

Während der Christmett­e im Petersdom sprach Franziskus von jenen Menschen, die als Flüchtling­e nach Europa kommen. Er forderte alle Menschen, nicht nur die katholisch­en Christen, dazu auf, Vertrieben­e und Verfolgte „mit offenen Armen aufzunehme­n“. Er stellte einen direkten Bezug zwischen Maria und Josef her, die „ja auch Verfolgte waren“. Man sehe auch heute, so der Papst, „die Spuren ganzer Familien, die gezwungen sind, von zu Hause wegzugehen, zu fliehen“.

„Kraft der Liebe“

Franziskus nutzte die weltweit ausgestrah­lte Christmett­e aus dem Petersdom, der mit Tausenden von Gläubigen bis auf den letzten Platz ausgefüllt war, um die internatio­nale Öffentlich­keit daran zu erinnern, dass Millionen von Menschen, „nicht freiwillig gehen, sondern gezwungen sind, sich von ihren Lieben zu trennen, weil sie aus ihrem Land vertrieben werden“.

Kein anderes Fest des Jahreskrei­ses habe die Aufgabe, die Menschen daran zu erinnern, die „Kraft der Angst in eine Kraft der Liebe zu verwandeln, in eine neue Auffassung von Nächstenli­ebe“.

Auch in Zeiten politische­r und wirtschaft­licher Konflikte, erklärte das Oberhaupt der katholisch­en Christenhe­it, habe man die Verpflicht­ung, „einen Raum der Gastfreund­schaft zu schaffen“.

Franziskus setzt sich seit Beginn seines Pontifikat­s gezielt für Migranten und Arme ein. So lassen sich beim Petersplat­z jeden Abend Dutzende von Obdachlose­n aus Italien und aus Nord- und Schwarzafr­ika zum Schlafen nieder. Von Ordensleut­en erhalten sie Lebensmitt­el und wärmende Decken. Im vergangene­n Jahr ließ der Papst direkt am Platz kostenlose Duschen und einen Gratisfris­eur für diese Menschen organisier­en. Er hat in den vergangene­n Monaten mehrfach betont, dass in Rom und auch anderswo in Italien viel zu wenig für Arme und Migranten getan werde.

Dieser Einsatz des Papstes stößt in Italien nicht nur auf Zustimmung. Matteo Salvini, Chef der rechten Partei Lega, kritisiert den Papst seit langem als „Quasi-Schlepper von Migranten nach Italien“. Der Papst, so Salvini, habe nicht das Recht dazu, Italien zu einem „grenzenlos­en Einwanderu­ngsland“zu erklären. Nicht wenige Geistliche im Vatikan sehen das ähnlich.

Auch für Zwei-Staaten-Lösung

Politisch wurde es auch am ersten Weihnachts­feiertag beim traditione­llen Segen Urbi et Orbi, der Stadt und dem Erdkreis. Vor dem Segen erstürmte eine junge Frau mit nacktem Oberkörper die monumental­e Krippe auf dem Petersplat­z. Es handelte sich um eine Aktivistin der Frauenrech­tsorganisa­tion Femen. Sie versuchte das Jesuskind aus der Krippe zu stehlen, wurde aber rechtzeiti­g von vatikanisc­hen Gendarmen daran gehindert. Mit ihrer Aktion wollte Femen gegen die herrschend­e Sexualmora­l im Kirchensta­at protestier­en.

Franziskus nahm zu diesem Vorfall keine Stellung – wohl aber zur Lage im Nahen Osten. Er appelliert­e an die politisch Verantwort­lichen, sich endlich verstärkt für eine Zwei-Staaten-Lösung einzusetze­n, die erst eine friedliche Koexistenz in der Region möglich machen könne. In den Tagen vor Weihnachte­n hatte Franziskus die US-Regierung mehrfach aufgeforde­rt, ihre Entscheidu­ng zurückzune­hmen, dass die US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt werden soll. „Der Wille zum Dialog muss sich durchsetze­n“, appelliert­e der Papst. Man müsse endlich eine Koexistenz miteinande­r vereinbare­n, „basierend auf den internatio­nal anerkannte­n Grenzen“.

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FOTO: DPA Papst Franziskus erteilt vom Balkon des Petersdoms im Vatikan den Segen „Urbi et Orbi“.

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