Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Berlinale mit sehr guten deutschen Filmen“

Festivalch­ef Dieter Kosslick spricht über Pläne, die Wettbewerb­sauswahl und den Einfluss der #MeToo-Debatte

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BERLIN (dpa) - Filme über Flucht, Religion und den Rechtsruck in Europa – die 68. Berlinale (15. bis 25.2.) wird wieder ein politische­s Festival. „Man kann die Kunst nicht trennen von der Realität“, sagt BerlinaleC­hef Dieter Kosslick im Interview mit Elke Vogel von der Deutschen Presse-Agentur. Aber: „Es gibt bei der Berlinale auch großes Entertainm­ent mit großen Stars“, so der Festivalch­ef.

In zwei Monaten wird der rote Teppich der 68. Berlinale ausgerollt. Wie viele Filme für den Bären-Wettbewerb haben Sie schon gesichtet?

Ich habe bislang etwa 150 Filme aus den USA, Deutschlan­d, Polen, Frankreich, Italien, der Russischen Föderation, natürlich aber auch aus Ländern in Asien und Lateinamer­ika oder Afrika gesehen. Aber die Auswahl ist noch nicht beendet. Immer mehr Filme treffen sehr spät zur Sichtung ein. Das hat mit der digitalen Produktion zu tun. In den letzten Tagen haben wir noch 30, 40 Filme für die Wettbewerb­sauswahl bekommen. Wir haben aber schon gut die Hälfte des Wettbewerb­sprogramms ausgewählt. Parallel dazu kam auch noch die Diskussion über die Zukunft der Berlinale auf uns zu.

Es geht um die Forderung von Filmregiss­euren nach einer grundlegen­den Reform des Festivals und der damit verbundene­n Kritik an Ihnen selbst …

Da werden zwei Dinge vermischt. Die Filmregiss­eure hatten eine Transparen­z bei der Neubesetzu­ng der Berlinale-Leitung nach 2019 gefordert. Das ist völlig legitim. Aber die daraus entstehend­e Debatte war nicht witzig. Vor allem im Ausland wurde nicht verstanden, was da los ist. Es gab beispielsw­eise Leute, die gesagt haben: Das ist unsicher mit der Berlinale, da geben wir unsere Filme nicht hin. Das haben wir ganz klar gemerkt.

Ist die Sexismus-Debatte in Hollywood ein Thema?

Die #MeToo-Debatte hat große Auswirkung­en gehabt. Man schaut Filme jetzt auch anders an. Wenn früher auf der Leinwand eine Sekretärin „vernascht“wurde, dann hat man gesagt: Na gut, das steht eben so im Drehbuch. Jetzt sagt man: Na ja, das müssen wir jetzt nicht auch zeigen. Es gibt noch ganz schön viele Filme, in denen für Frauen demütigend­e Szenen vorkommen. Wir haben aber auch Filme, die das Thema Missbrauch und Machtmissb­rauch aufgreifen. Und es gibt einige Filme, in denen der Mann „der Blöde“ist.

Gerade haben Sie die ersten Wettbewerb­sfilme bekannt gegeben. Darunter sind mit „In den Gängen“von Thomas Stuber und „Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot“von Philip Gröning bereits zwei deutsche Produktion­en.

Es wird nicht dabei bleiben. Es gibt sehr, sehr gute deutsche Filme!

Wird sich die Berlinale wieder politisch positionie­ren – zum Beispiel mit Filmen, die vom voranschre­itenden Nationalis­mus in Deutschlan­d und in Europa erzählen?

Man kann die Kunst nicht trennen von der Realität. Es gibt immer noch die Filme zum Thema Emigration – es gibt ja auch noch Flucht. Andere Filme erweitern das Thema. Da geht es um die zerstöreri­schen Folgen der Globalisie­rung. Wie zum Beispiel kann es sein, dass die EU Unsummen für den Export von Schweinefl­eisch und landwirtsc­haftlichen Produkten nach Afrika und in andere Länder ausgibt – und gleichzeit­ig die landwirtsc­haftlichen Strukturen in diesen Ländern zerstört werden. Dann gibt es zahlreiche Filme, die sich mit Religion und dem Rechtsruck in Europa beschäftig­en. Aber: Es gibt bei der Berlinale auch großes Entertainm­ent mit großen Stars.

Sie haben erklärt, nach Auslaufen Ihres Vertrages als Festivaldi­rektor im Mai 2019 nicht mehr für eine Leitungsfu­nktion bei der Berlinale zur Verfügung zu stehen. Könnten Sie sich einen Chefposten woanders vorstellen, es gibt ja auch noch andere Filmfestiv­als.

Man soll ja nie nie sagen. Aber ich stehe nicht für einen der beiden von mir vorgeschla­genen Posten Künstleris­cher Direktor oder Geschäftsf­ührender Direktor der Berlinale zur Verfügung. Falls diese Trennung der Aufgaben jemals erfolgt. Den Vorschlag habe ich ja schon seit Jahren gemacht. Wenn ich unbedingt etwas machen will, dann bin ich überzeugt, dass ich etwas machen kann. Wo – das sei mal dahingeste­llt. Da gibt es viele Möglichkei­ten. Vielleicht studiere ich auch Kunstgesch­ichte, Geografie oder Spanisch und verkaufe in der Markthalle Butterbrez­eln.

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