Zahl minderjähriger Flüchtlinge sinkt
Land hatte höhere Summe veranschlagt – Jugendhilfe geht auch an Volljährige
STUTTGART (kab) - Die Zahl unbegleiteter minderjähriger Ausländer ist im Südwesten von rund 8300 vor einem Jahr auf aktuell knapp 7400 gesunken. Laut Landesjugendamt ist fast die Hälfte der jungen Flüchtlinge, die Jugendhilfe erhalten, bereits volljährig. Damit liegt Baden-Württemberg klar über dem Bundesdurchschnitt von 43 Prozent. Gerald Häcker vom Landesjugendamt verteidigt die Praxis im Land als „fachlich notwendig“. CDU-Generalsekretär Manuel Hagel bezeichnet den hohen Wert indes als „schon sehr erklärungsbedürftig“.
STUTTGART - In den kommenden beiden Jahren rechnet das Land mit deutlich weniger Ausgaben für unbegleitete minderjährige Ausländer (Uma) als angenommen. Waren 2017 noch 323,7 Millionen Euro im Haushalt hierfür vorgesehen, geht das Sozialministerium für 2018 und 2019 von je knapp 184 Millionen Euro aus. Dabei gewährt Baden-Württemberg deutlich häufiger als andere Länder auch dann noch Jugendhilfe, wenn junge unbegleitete Flüchtlinge bereits volljährig sind.
Die Zahl junger Ausländer, die ohne erwachsene Familienmitglieder in Baden-Württemberg leben, ist von rund 8300 vor einem Jahr auf aktuell knapp 7400 gesunken. Doch nicht nur deshalb muss das Land künftig weniger ausgeben. „Wir haben nie so viel Geld gebraucht wie veranschlagt“, sagt ein Sprecher von Sozialminister Manfred Lucha (Grüne). Wie viele der knapp 324 Millionen Euro für 2017 tatsächlich fließen werden, könne er noch nicht sagen. Aufgrund der realistischeren Planung hat das Sozialministerium nun für die kommenden beiden Jahre je 140 Millionen Euro weniger veranschlagt als 2017.
Wie viel die Betreuung eines jungen Ausländers kostet, variiere extrem, so der Sprecher des Sozialministeriums. Nach einer Erhebung des Bundes sind es etwa 20 000 bis 25 000 Euro. Das Geld fließt unter anderem für die Unterbringung der jungen Menschen in Familien oder kleinen Wohngruppen, für ihre Betreuung durch Sozialarbeiter und für Hilfe auf dem Weg zu einer Ausbildung. Ganz grob ist dies etwa das Doppelte dessen, was der Staat für ein Kind zahlt, das mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen ist.
Verteilung an andere Länder
Dafür, dass die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Ausländer im Südwesten abnimmt, gibt es laut Sozialministerium zwei Gründe: Zum einen kann Baden-Württemberg unbegleitete minderjährige Ausländer an andere Länder nach einem Verteilungsschlüssel weiterreichen. Diese Möglichkeit gibt es erst seit Mai 2016. Zum anderen sind etliche junge Ausländer altersbedingt aus der Kategorie Uma herausgefallen. „Allerdings bedeutet die Volljährigkeit keines- wegs, dass die Jugendhilfebetreuung zwangsläufig endet“, erklärt der Ministeriumssprecher. „Ein erheblicher Anteil der Uma erhält weiterhin Hilfen für junge Volljährige.“Wer weiter solche Leistungen erhält, wird weiter als Uma geführt.
In Baden-Württemberg ist das eine beträchtliche Zahl. Bundesweit sind rund 43 Prozent der jungen Ausländer, die Jugendhilfeleistungen empfangen, schon mindestens 18 Jahre alt. Im Südwesten sind es aktuell knapp 49 Prozent, erklärt Gerald Häcker, der beim Landesjugendamt für die jungen Menschen zuständig ist. Laut bayerischem Sozialministerium sind im Freistaat sogar 52,6 Prozent der jungen Ausländer, die Jugendhilfe erhalten, bereits volljährig.
Die deutlich höheren Kosten für unbegleitete junge Ausländer, gerade über die Volljährigkeit hinaus, sehen manche CDU-Landespolitiker kritisch. „Natürlich muss in jedem Einzelfall entschieden werden“, sagt CDU-Generalsekretär Manuel Hagel. „Allerdings ist schon sehr erklärungsbedürftig, warum gerade in Baden-Württemberg so viel mehr volljährige Flüchtlinge als jugendhilfebedürftig eingestuft werden als im Rest der Republik.“Die Zahlen nennt er extrem hoch und sagt: „Wenn man bedenkt, dass fast die Hälfte derjenigen, die Leistungen nach dem Jugendhilfegesetz bekommen, das 18. Lebensjahr überschritten haben, muss man sich schon fragen, ob das noch im Geiste der Väter des Jugendhilfegesetzes ist.“
Für Gerald Häcker sind die Leistungen, die das Land hier bietet, notwendig. „Für diese jungen Menschen hat unsere Jugendhilfe meist erst mit 16, 17 Jahren eingesetzt, als sie ins Land kamen“, sagt er der „Schwäbischen Zeitung“. Viele der jungen Ausländer, die gerade im Zuge der Flüchtlingskrise nach Deutschland kamen, seien traumatisiert. „Unsere Arbeit greift erst nach zwei, drei Jahren“, so Häcker. Deshalb sei es „fachlich notwendig“, die jungen Geflüchteten auch über den 18. Geburtstag hinaus intensiver zu betreuen.
Bernhard Lasotta, integrationspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, teilt seine Einschätzung. „Zu kritisieren, wir geben mehr aus als andere, wäre zu billig in dieser Frage“, sagt er. „Den höchsten Anteil der Traumatisierten haben wir in dieser Gruppe. Wenn wir sie so auffangen können, dient das ja der ganzen Gesellschaft.“Je früher die Hilfe zur Integration in die Gesellschaft ansetze, desto weniger Probleme gebe es später. „Wenn es sinnvolle, konkret im Einzelfall begründete Leistungen sind, gibt es gar nichts zu meckern.“