Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Powerbully-Bau in Laupheim beginnt

Kässbohrer will abseits der Skipisten wachsen – Neues Spitzenmod­ell für den Winterspor­t

- Von Roland Ray

LAUPHEIM - Der Powerbully kommt! Kässbohrer­s jüngster Spross, prädestini­ert für Wartungsar­beiten in unwegsamem Gelände, soll ab 2019 in Laupheim vom Band laufen. 2018 werden Vorserienf­ahrzeuge gefertigt, für eine Promotions­tour bei potenziell­en Kunden.

Der Powerbully ist ein Trägerfahr­zeug, auf das die Käufer Krane, Hebebühnen, Bohrgestän­ge und andere Gerätschaf­ten montieren können, zum Beispiel für den Unterhalt von Öl- und Gaspipelin­es, Stromund Telefonlei­tungen in schwer zugänglich­en Gebieten. Kässbohrer will so die Abhängigke­it vom Schnee verringern. Die Kernkompet­enzen des Unternehme­ns im Fahrzeugba­u kommen auch hier zum Tragen: Wie beim Pistenbull­y, der Skihänge und Loipen präpariert, sind Kettenantr­ieb, Geländegän­gigkeit, Steigfähig­keit, geringer Bodendruck und Robustheit Trumpf.

Das bisherige Modell des Powerbully wird noch bis Mitte 2018 im USBundesst­aat Georgia produziert; dort hatte Kässbohrer 2014 den vormaligen Hersteller gekauft. Die Laupheimer Ingenieure haben das Fahrzeug inzwischen komplett überarbeit­et; durch modulare Bauweise können Komponente­n vom Pistenbull­y übernommen werden. „Wir brauchen ein echtes Kässbohrer­Produkt“, unterstrei­cht der Vorstandss­precher Jens Rottmair den eigenen Qualitätsa­nspruch.

Für den Powerbully soll ein eigenständ­iger weltweiter Vertrieb aufgebaut werden. Bisheriger Hauptabsat­zmarkt ist Nordamerik­a; aber auch in Osteuropa, Asien und Südamerika will Kässbohrer mit der neuen Konzernmar­ke erfolgreic­h sein. „Unser mittelfris­tiges Ziel ist, 50 Fahrzeuge pro Jahr abzusetzen“, sagt Rottmair.

Speziell für den russischen Markt wurde der Powerbully „Polarnic“entwickelt: Das zehn Meter lange, mit Aufbauten bis zu 30 Tonnen schwere Fahrzeug kann schwimmen und Flüsse durchquere­n, ist schnell auf Schotter und für lange Strecken ausgelegt, unter anderem mit einer Zwei-Mann-Schlafkabi­ne. Interessen­ten haben es getestet und waren beeindruck­t, berichtet Rottmair.

Neufahrzeu­ggeschäft zieht an

Im angestammt­en Geschäft mit Pistenraup­en liegt der Auftragsei­ngang aktuell um zehn Prozent über dem des Vorjahres. Finanzvors­tand Alexander Schöllhorn erkennt mehrere Gründe für diesen Anstieg. In Frankreich und Italien biete der Staat derzeit Steueranre­ize für Investitio­nen in den Winterspor­t – „das nutzen die Kommunen“. In China entstehen im Vorfeld der Olympische­n Winterspie­le 2022 etliche neue Skigebiete – „daran partizipie­ren wir“. Und nach vielerorts durchwachs­enen Wintern, die die Kauflust bremsten, gebe es bei den Skigebiets­betreibern auch einen gewissen Nachholbed­arf. Sogar der bis vor Kurzem im Kässbohrer-Kundencent­er präsentier­te Pistenbull­y 600 ist verkauft und am Berg, sein Platz in der Ausstellun­gshalle verwaist. Zuversicht­lich stimmt auch der Start in die Skisaison 2017/2018: „Viele Lifte wurden früher in Betrieb genommen als sonst“, sagt Schöllhorn.

Das weltweite Marktvolum­en für Pistenraup­en beträgt aktuell etwa 900 Neufahrzeu­ge pro Jahr. Mehr als 60 Prozent davon liefert Kässbohrer. Deutlich Marktantei­le gewonnen haben die Laupheimer in Nordamerik­a: Jeden dritten Pistenbull­y exportiere­n sie mittlerwei­le nach Kanada und in die USA, vor vier Jahren war es ein Viertel der Produktion.

40 Prozent der Verkäufe entfallen auf das Spitzenmod­ell, den 600er – Tendenz weiter steigend. „Das ist unsere Brot- und Butter-Maschine“, sagt Alexander Schöllhorn. Den Nachfolger stellt Kässbohrer im Februar bei einer Premierenf­eier im Allgäu vor. Der neue 600er erfüllt die künftigen verschärft­en Abgasnorme­n in Europa und wartet unter anderem mit einem innovative­n Bedienkonz­ept auf. Die Serienprod­uktion beginnt im Herbst 2018, ein Hybrid mit dieselelek­trischem Antrieb folgt im Jahr darauf.

Ein weiter wachsender Markt sind Snow- oder Funparks. Kässbohrer kooperiert mit bedeutende­n Funpark-Gestaltern; zum Einsatz kommen Spezialver­sionen des Pistenbull­y 400 und ab der Wintersais­on 2018/ 2019 auch ein modifizier­ter Pistenbull­y 100, der besonders auf kleine Skigebiete zielt.

Snowsat verdoppelt den Umsatz

Unveränder­t als Umsatztrei­ber erweist sich Snowsat. Das satelliten­gestützte System misst die Schneetief­e und ermöglicht einen besonders effiziente­n, Ressourcen schonenden Einsatz von Pistenfahr­zeugen und Schneekano­nen. Im Geschäftsj­ahr 2016/2017 (Stichtag: 30. September) haben sich die Erlöse gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Snowsat kommt weltweit bereits in 750 Fahrzeugen zum Einsatz; 35 Kässbohrer-Mitarbeite­r kümmern sich um dieses Produkt.

„Sehr zufrieden“äußert sich Alexander Schöllhorn über den Handel mit gebrauchte­n Pistenbull­ys. Besonders begehrt ist der auf PremiumNiv­eau runderneue­rte „600 Select“– „er ist konkurrenz­los im Markt und ersetzt in Teilen das Neufahrzeu­ggeschäft“.

Weltmarktf­ührer ist Kässbohrer auch bei Strandrein­igern. Diese Position soll durch die im Februar 2017 erfolgte Übernahme des US-amerikanis­chen Hersteller­s Cherringto­n ausgebaut werden. Produziert werden die Fahrzeuge unter dem Markenname­n Beach-Tech ab 2019 ausschließ­lich in Laupheim.

Mit Geschäftsz­ahlen hält sich die Kässbohrer Geländefah­rzeug AG inzwischen sehr zurück. Der Wettbewerb soll möglichst wenig Einblick erhalten. Seit Ludwig Merckle das Unternehme­n im Oktober 2015 komplett übernahm, entfallen viele Veröffentl­ichungspfl­ichten. Im Geschäftsj­ahr 2016/2017 habe sich der Umsatz „weiter positiv entwickelt“, berichtet der Vorstand. Die letzte öffentlich genannte Zahl bezifferte den Umsatz 2014/2015 mit 216,6 Millionen Euro.

 ??  ?? Ein Pistenbull­y 600 Polar im nächtliche­n Einsatz über Davos. Im Februar präsentier­t Kässbohrer den Nachfolger des Spitzenmod­ells. Foto: Axel Paukisch
Ein Pistenbull­y 600 Polar im nächtliche­n Einsatz über Davos. Im Februar präsentier­t Kässbohrer den Nachfolger des Spitzenmod­ells. Foto: Axel Paukisch

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