Erst ein Teddybär macht den Menschen komplett
Geliebte Gesellen: Die Städtische Galerie in Wangen erzählt die Erfolgsgeschichte der Plüschtiere
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WANGEN - Das Ganze begann mit einem Akt der Zerstörung: Als kleines Mädchen musste Ruthild Straub mitansehen, wie ihre Mutter den geliebten Teddybär in den Kachelofen warf. Zu alt, zerzaust, einfach nicht mehr vorzeigbar, so das Urteil der Mutter. Diesen ersten Bär wollte Klein-Ruthild ersetzen. Und das ist ihr zumindest zahlenmäßig gelungen. Denn inzwischen nennt sie rund Tausend Teddybären ihr eigen, arrangiert für Ausstellungen ganze Szenerien mit Bären – wie nun in der Städtischen Galerie „In der Badstube“in Wangen.
Wenn Ruthild Straub einen ihrer Teddybären in die Hand nimmt, kneten ihre Hände automatisch den plüschigen Körper, streicheln wie bei einer Babymassage sanft den Bauch. Sie macht das unbewusst, ins Gespräch vertieft. Die Stoffgesellen sind ihre große Leidenschaft, das muss sie nicht betonen, tut es auch nicht, als sie im ersten Stock der Städtischen Galerie ihre Ausstellung aufbaut.
Vier Jahre war sie alt, als die Mutter ihren Teddybären verbrannte. Das war im Jahr 1945 und Ersatz war nicht leicht zu beschaffen – musste aber dringend her, da die Tochter den Verlust nicht verschmerzen konnte und krank wurde. Doch selbst der Onkel in Amerika schickte keinen. Erst als das Ruthild Straub ein Jahr später auf einem Markt ihren Peter-Bär gesehen hat, war die Welt wieder in Ordnung. Noch heute werden Peter und sein Gefährte Mohr aus Kindheitstagen auf jede Ausstellung mitgenommen.
Dass auch andere Menschen an Ruthild Straubs Leidenschaft für die Plüschbären teilhaben können, ist wiederum Esther Gajek zu verdanken. Sie lehrt Vergleichende Kulturwissenschaft an der Universität Regensburg und verleiht der Sammlung Straub den wissenschaftlichen Rahmen. In einer Frage allerdings muss eben diese Bären-Wissenschaft gleich passen: Wem wir den Teddybär als Spielzeug zu verdanken haben weiß man nicht definitiv. Erfolg hat wie so oft mehrere Väter. In diesem Fall wird der Kampf um die Urheberschaft zwischen Deutschland und Amerika ausgetragen.
Für Deutschland geht natürlich die Firma Steiff in Giengen an der Brenz ins Rennen. Richard Steiff, Neffe der Firmengründerin Margarete, entwarf einen beweglichen Stoffbären mit der Bezeichnung 55 PB, 55 Zentimeter lang. Diesen präsentierte er 1903 auf der Leipziger Spielwarenmesse, ein amerikanischer Unternehmer orderte prompt 3000 Exemplare. Im Jahr darauf belief sich die Bestellung bereits auf 12 000.
Die andere Geschichte kommt aus Amerika. Dort ging 1902 der damalige Präsident Theodore Roosevelt auf Bärenjagd – erfolglos, weshalb man einen kleinen Bären an ein Seil band, auf den er schießen sollte. Das war aber wohl selbst einem auf Publicity bedachten Präsidenten zu dämlich. Die Sache sprach sich herum, in der „New York Times“erschien eine Karikatur von Teddy Roosevelt mit Bär. So steht wenigstens zweifelsfrei fest, wer dem Bären seinen Namen gab.
In Wangen sind nicht nur die mit Holzwolle gefüllten Teddybären aus den Anfangsjahren zu sehen, die mit ihren langen Nasen noch gar nicht so knuffig, sondern eher wie echte Bären aussehen. Aus mehr als einem Jahrhundert hat Straub Bären gesammelt, die sie aber nicht hinter Glas stellt, sondern in Szenerien präsentiert. Da gibt es die Bärwaldklinik, wo Teddys in kleinen Eisenbetten am Tropf hängen, die Bärenküche, in der gebacken wird.
Projektionsfläche für Emotionen
„Wenn es um Emotionen geht, muss der Teddybär herhalten“, da ist sich die Ethnologin Gajek sicher. Erstmals durften auch Jungen mit einem Plüschtier spielen, was bei einer Puppe früher nicht infrage gekommen wäre. Und außerdem biete das Gesicht eines Bären, das mit den Knopfaugen stark dem Kindchenschema entspreche, eine Projektionsfläche für die kindliche Fantasie, viel mehr als eine Puppe.
Nicht nur die Spielzeughersteller haben die emotionale Macht der Bären erkannt, auch andere Industriezweige setzen immer noch auf Teddy: Allein bei Haribo werden am Tag 70 Millionen Gummibärchen in Tüten verpackt, sagt Gajek. Dass ein als Raubtier gefürchtetes Geschöpf weltweit so erfolgreich sein würde, davon machte sich sicher auch Roosevelt in seinen kühnsten Träumen keine Vorstellung.
Teddy, nur du allein! Bis 11. März in der Städtischen Galerie „In der Badstube“in Wangen. Öffnungszeiten: Di. bis Fr., So. und Feiertage 14 bis 17 Uhr, Sa. 11 bis 17 Uhr, Silvester geschlossen. Das Begleitprogramm bietet einen Kinonachmittag mit „Paddington Bär“, einen Vortrag über die Unternehmerin Margarete Steiff und eine Bärensprechstunde für angeschlagene Teddybären. Informationen unter www.galerie-wangen.de.