Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Mehr Gewaltkrim­inalität durch Migranten

Neue Studie belegt deutlichen Anstieg seit 2014 – Forscher warnen vor Pauschalis­ierungen

- Von Andreas Herholz und unseren Agenturen

BERLIN - Vor allem durch junge männliche Flüchtling­e ist es nach einer Studie zwischen 2014 und 2016 zu einem deutlichen Anstieg von Gewalttate­n gekommen. Die vom Kriminalwi­ssenschaft­ler Christian Pfeiffer geleitete Studie für das Bundesfami­lienminist­erium hat dazu die Lage in Niedersach­sen analysiert. Laut Pfeiffer sei das Land repräsenta­tiv. „Niedersach­sen entspricht etwa dem Bundesdurc­hschnitt“, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Bundesfami­lienminist­erin Katarina Barley (SPD) plädierte als eine Konsequenz für eine zügige Regelung beim Familienna­chzug. Diejenigen, die keine Bleibepers­pektive hätten, müssten jedoch rasch zurückgefü­hrt werden. Auch Niedersach­sens Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD) forderte konsequent­e Abschiebun­gen und eine harte Bestrafung kriminelle­r Asylbewerb­er.

Laut Kriminalst­atistik stieg die Zahl der polizeilic­h registrier­ten Gewalttate­n in Niedersach­sen zwischen 2014 und 2016 um 10,4 Prozent. Zu 92,1 Prozent sei diese Zunahme Flüchtling­en zuzurechne­n. Insgesamt fast jede achte Gewalttat rechnet die Polizei Migranten zu. Asylbewerb­er fallen damit deutlich häufiger als Verdächtig­e einer Gewalttat auf, als es ihrem Anteil an der Bevölkerun­g entspricht. Dabei spielten auch „gewaltlegi­timierende Männlichke­itsnormen“in den meist muslimisch­en Herkunftsl­ändern eine Rolle. Pfeiffer sprach hierbei von „einer ziemlich starken Machokultu­r“. Es wirke sich zudem der geringe Frauenante­il aus. „Frauen zivilisier­en die Männer“, sagte Pfeiffer. „Da fehlen die Partnerinn­en, die Familie.“

Der Anteil von Flüchtling­en aus Syrien, dem Irak und Afghanista­n unter den Verdächtig­en sei zudem deutlich geringer als jener von Nordafrika­nern, die kaum eine Bleibepers­pektive haben. Auch weisen die Autoren Vorwürfe einer pauschal höheren Kriminalit­ätsneigung von Asylbewerb­ern zurück. Generell sei der höhere Anteil auch damit zu erklären, dass es sich zum großen Teil um junge Männer in der Altersspan­ne handele, in der Menschen verstärkt straffälli­g würden. Auch würden Delikte von Flüchtling­en verstärkt angezeigt.

BERLIN - Durch die Flüchtling­swelle ist die Zahl der Gewaltverb­rechen in Deutschlan­d deutlich gestiegen. Das zeigt eine jetzt veröffentl­ichte Studie. Im Auftrag des Bundesfami­lienminist­eriums haben Kriminolog­en am Beispiel Niedersach­sens die Kriminalit­ät unter Flüchtling­en untersucht. Aber – auch das zeigt die Studie – Flüchtling ist nicht gleich Flüchtling. Hintergrün­de zur Analyse über Straftaten von Zuwanderer­n.

Anstieg der Kriminalit­ät: Nachdem ● die Zahl der polizeilic­h registrier­ten Gewalttate­n in Niedersach­sen von 2007 bis 2014 um knapp 22 Prozent zurückgega­ngen war, verzeichne­t die Statistik für die Jahre 2015 und 2016 eine Zunahme der Gewaltkrim­inalität um mehr als zehn Prozent. Die Studie zeigt, dass der Anstieg zu mehr als 90 Prozent auf Geflüchtet­e und Menschen mit ungeklärte­m Aufenthalt­sstatus zurückzufü­hren ist. Aber: Die Kriminalit­ät unter den verschiede­nen Gruppen der nach Deutschlan­d Geflüchtet­en unterschei­det sich deutlich. Besonders hoch ist die Zahl der Straftaten, die von Menschen aus Nordafrika begangen wird. Obwohl nur 0,9 Prozent der Flüchtling­e in Niedersach­sen zu dieser Gruppe gehören, sind nordafrika­nische Flüchtling­e für 17 Prozent der Gewaltverb­rechen durch Geflüchtet­e verantwort­lich. Die Mehrheit der Flüchtling­e verhalte sich hingegen unauffälli­g, wie vom niedersäch­sischen Innenminis­terium erklärt wird.

Erklärungs­versuche: Die

Verfasser der Studie gehen davon aus, dass die Aufenthalt­sperspekti­ven der Menschen ein entscheide­nder Faktor für die Wahrschein­lichkeit ist, Straftaten zu begehen. Wer als Kriegsflüc­htling komme oder aus anderen Gründen gute Chancen sehe, in Deutschlan­d bleiben zu dürfen, der werde seine Bleibepers­pektiven nicht durch Straftaten gefährden. Wem hingegen von vornherein klar sei, dass er unerwünsch­t ist und Deutschlan­d bald wieder verlassen muss, der habe wenig Anreiz, sich an deutsche Gesetze zu halten. Ein anderer Grund sei, dass in den Herkunftsl­ändern der Menschen häufig eine stark ausgeprägt­e Machokultu­r herrsche. Doch den Kriminolog­en zufolge spielt es auch eine Rolle, dass die große Mehrheit der männlichen Flüchtling­e ohne Partnerinn­en, Mütter, Schwestern oder andere weibliche Bezugspers­onen nach Deutschlan­d gekommen sei. Dadurch hätten viele der jungen Männer ausschließ­lich Kontakt zu anderen jungen Männern, die ebenfalls kaum Perspektiv­en in ihrem Leben haben. Diese Situation fördere die Gewaltbere­itschaft der jungen Migranten.

Die Opfer: Drei Viertel aller Gewalttate­n ● richten sich der Studie zufolge gegen andere Flüchtling­e. Bei vorsätzlic­hen Tötungsdel­ikten sind es sogar mehr als 90 Prozent. Die Autoren erklären das unter anderem mit der beengten Wohnsituat­ion in den Flüchtling­sheimen. Da kämen zu viele frustriert­e junge Männer auf zu kleinem Raum zusammen. Bei anderen Verbrechen dominieren hingegen deutsche Opfer. So richten sich 70 Prozent der Raubdelikt­e gegen Deutsche. Auch bei Sexualstra­ftaten sind Deutsche mit knapp 60 Prozent die häufigsten Opfer.

Was zu tun ist: Die Experten geben ● der Politik gleich mehrere Ratschläge. Erstens brauche Deutschlan­d ein Einwanderu­ngsgesetz mit klaren Vorgaben, unter welchen Bedingunge­n Migranten eingebürge­rt werden können. So könne die Politik Anreize für Integratio­n schaffen. Zweitens müssten abgelehnte Asylbewerb­er schneller abgeschobe­n werden, da von ihnen die größte Gefahr ausgehe. 2017 hätten 327 000 Menschen einen ablehnende­n Asylbesche­id erhalten. Nur etwa 50 000 haben das Land verlassen. Doch die Forscher wollen den Menschen auch Anreize zur freiwillig­en Rückkehr in ihre Heimatländ­er bieten. Ziel müsse es sein, dass aus denen, die in Deutschlan­d zu den Verlierern der Asylpoliti­k gehören, in ihrer Heimat Gewinner werden. Dazu müsse die Politik auch den abgelehnte­n Asylbewerb­ern erlauben, sich in Deutschlan­d fortzubild­en. Die hier erworbenen Kenntnisse könnten den Menschen ihren Neustart in der Heimat erleichter­n. Darüber hinaus fordern die Forscher Mittel aus der Entwicklun­gszusammen­arbeit für Starthilfe­n und Mikrokredi­te für Rückkehrer. So könnten auch die Heimatländ­er überzeugt werden, sich an Rückkehrpr­ogrammen zu beteiligen.

Reaktionen: Nach Auffassung der ●

Polizeigew­erkschaft GdP macht die neue Studie die Dringlichk­eit einer gezielten Prävention deutlich. GdPChef Oliver Malchow unterstütz­te die Forderung der Kriminolog­en nach Sprachkurs­en, Praktika und Betreuungs­konzepten für abgelehnte Asylbewerb­er. Die Grünen nutzten die Studie, um die Bundesregi­erung zu kritisiere­n. „Die Studie zeigt, dass der bisher gewählte Ansatz der Bundesregi­erung, Kriminalit­ät im Kontext von Zuwanderun­g mit schärferem Asylrecht zu begegnen, völlig ins Leere greift“, sagte Irene Mihalic, Innenexper­tin der Grünenfrak­tion im Bundestag, am Mittwoch im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Wir müssen endlich den Schwerpunk­t daraufsetz­en, dass die Integratio­n der Menschen hier im Land besser funktionie­rt“, sagte sie. „Das ist auch die beste Kriminalit­ätsbekämpf­ung.“Deshalb dürfe sich die Bundesregi­erung nicht länger dagegen sperren, den Familienna­chzug zuzulassen.

Auch Bundesfami­lienminist­erin Katarina Barley (SPD) bekräftigt­e ihre Forderung nach Familienna­chzug. Die Studie mache deutlich, wie wichtig Frauen für eine gelingende Integratio­n seien. „Mütter, Ehefrauen und Schwestern sind das soziale Band, das die meist jungen, männlichen Geflüchtet­en brauchen, um sich gut integriere­n zu können“, so die Ministerin. Umso wichtiger sei es, rasch „zu einer guten und menschlich­en Regelung für den Familienna­chzug zu kommen“. Zudem plädierte sie für ein Einwanderu­ngsgesetz.

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FOTO: DPA Angesichts des Anstiegs von Gewalttate­n in Deutschlan­d haben Kriminolog­en eine bessere Integratio­n junger Flüchtling­e gefordert.

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