Auf die Liebe eingestochen
Allmendinger steht wegen versuchten Mordes vor Gericht.
● ULM/EHINGEN - Am Ulmer Landgericht hat am Montag die Hauptverhandlung gegen einen 25-Jährigen Allmendinger begonnen. Er soll in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai 2017 in der Ehinger Innenstadt in eine Wohnung eingedrungen sein, wo seine ehemalige Freundin bei ihrem früheren Freund übernachtetet hatte. Er verletzte Letzteren mit einem Fleischermesser an der Schläfe, seiner Ex-Freundin fügte er zwei Schnittwunden zu. Die eine am Hals war so tief, dass die junge Frau nur durch die schnelle medizinische Versorgung gerettet werden konnte. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung vor.
Der gebürtige Ehinger wurde in Hand- und Fußfesseln vorgeführt. Er hatte sich dazu entschieden, auszusagen. Er entschuldigte sich bei den beiden Geschädigten, die ihm als Nebenkläger gegenüber saßen, sowie bei ihren Familien. Dann schilderte er, was aus seiner Sicht in der Nacht geschehen war und betonte: „Nach meiner Auffassung war die Beziehung noch nicht zu Ende.“Ein Irrglaube, ohne den es zu dieser Tat wohl nie gekommen wäre.
Weil er gehört hatte, dass die Geschädigte bei ihrem Ex-Freund übernachte, sei er dort kurz nach 5 Uhr morgens hingegangen, sei auf ein Baugerüst geklettert und habe in das Fenster des Schlafzimmers gesehen, das sich dabei geöffnet habe, erklärte der 25-Jährige.
Dann sei er auf den jungen Mann im Bett gesprungen und habe auf ihn eingeschlagen, ergänzte der Geschädigte später. Er habe den Angreifer in ein anderes Zimmer schieben können. Dort habe der ungeladene Gast dann ein Fleischermesser vom Tisch genommen, frisch geschliffen mit einer etwa 15 Zentimeter langen Klinge, und den Kontrahenten damit an der Schläfe verletzt. „Ich wollte ihm Angst einjagen, und klarmachen, dass es meine Freundin ist“, erklärte der Angeklagte.
Die junge Frau hatte sich derweil in der Toilette eingeschlossen. Als sich der Angreifer abgewendet hatte, ging der Verletzte nach draußen, um die Polizei zu rufen – als er einen Schrei hörte. In der Zwischenzeit hatte der Allmendinger nämlich die Klotür von außen geöffnet. Als die Frau sich daraufhin im Schlafzimmer ein T-Shirt aus dem Schrank nahm, habe sie nur etwas am Hals streifen gespürt, erklärte sie. Doch dann habe sie bemerkt, wie das Blut überall an ihr herunterlief, „am Rücken, am Bauch“und sie ging zu Boden. Als ihr der Bekannte von draußen zu Hilfe eilte, war der Angreifer schon wieder verschwunden. Der junge Mann drückte Papiertücher auf die tiefe Wunde, bis Hilfe kam.
Der tiefere, 15 Zentimeter lange Schnitt am Hals der Frau, der sich bis in den Nacken zog, habe zwei Venen verletzt, die Hauptvene sogar komplett durchtrennt, sagte der operierende Chirurg vor Gericht aus. Der Schnitt sei knapp sechs Zentimeter tief gewesen und sei hinten bis auf die Wirbelsäue runter gegangen, auch die Halsmuskulatur wurde verletzt. Bei freiem Blutaustritt wäre die Frau innerhalb von einer Minute verstorben, sagte er. Es sei Glück gewesen, dass der Weg zur Chirurgie in Ehingen nicht so lang gewesen sei, erklärte ein Rechtsmediziner.
Noch heute hat die Geschädigte ein „pelziges Gefühl“an der Stelle und hat durch die Verletzung der Muskulatur Probleme, ihren rechten Arm zu heben. Beide Geschädigte hatten nach der Tat auch mit den psychischen Folgen zu kämpfen, besonders nachts, doch werde es besser, erklärten beide.
Alkohol und Speed
Das Gericht versuchte bei der Befragung der Zeugen, besonders aus dem Freundeskreis, die Frage zu beantworten, wie klar der Angeklagte bei der Tat noch denken konnte, denn er hatte zuvor Alkohol getrunken und nach eigener Angabe auch Speed konsumiert. An die Haupttat könne er sich nicht erinnern, sagte er aus, er habe einen Filmriss. Nach der Tat sei ihm lediglich klar gewesen, dass etwas passiert sein muss. Das Messer hatte er in die Schmiech am Groggensee geworfen. Der Angeklagte ist wegen Körperverletzung vorbestraft. Zur Tatzeit war er auf Bewährung.
Nach Aussagen des Angeklagten und der Geschädigten wie auch ihrer Freunde, war die Beziehung zwischen beiden, die genau vor einem Jahr, am 8. Januar 2017 begonnen hatte, ein ewiges Hin und Her. Immer wieder habe man sich gestritten, immer wieder sei die Beziehung für ein paar Stunden beendet gewesen, sagte der Angeklagte. „Wir waren aber nie richtig getrennt.“
Das sah die 22-jährige Geschädigte anders: Schon im Februar sei ihr klar gewesen, „dass es nichts für die Zukunft sein kann“und das habe sie ihm auch immer wieder gesagt, erklärte sie vor Gericht. „Er konnte aber gut reden und hat mich immer wieder überzeugt, dass er sich bessert.“Der Angeklagte habe sich einiges geleistet: Einmal hatte er sie auf den Boden gestoßen, ein andermal hat er ihr Handy aus der Tasche einer ihrer Freundinnen entwendet und an sich genommen. Außerdem habe der Allmendinger gedroht, ein Video von ihr zu veröffentlichen und sie mit Säure zu bewerfen.
Die Wochen vor der Tat hätten sie kaum mehr Kontakt gehabt, erklärte die 22-Jährige den Richtern. „Wenn ich sie nicht haben kann, dann darf sie gar niemand haben“, sei sein Lieblingssatz gewesen. „Ich hatte gehofft, dass er irgendwann kein Interesse mehr hat und mir nicht mehr hinterherläuft“, sagte die 22-Jährige. Die Verhandlung wird am kommenden Montag fortgesetzt.