Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der Name ist nicht Programm

Das Leben mit einem besonderen Namen ist nicht immer leicht, sagen Frau Morgenschw­eis und Herr Kotz

- Von Sabine Krauss

TUTTLINGEN - Sie gelten normalerwe­ise ein Leben lang und sind etwas, das die meisten Menschen als gegeben hinnehmen: der persönlich­e Vor- und Nachname. Während ersterer meist von den Eltern ausgewählt wird, bekommt der Mensch letzteren automatisc­h mitgeliefe­rt. Doch was ist, wenn man einen Nachnamen vererbt bekommt, der aus der Masse herausstic­ht? Über ihre Erfahrunge­n mit einem ungewöhnli­chen, eher negativ behafteten Namen haben sich einige Tuttlinger mit Redakteuri­n Sabine Krauss unterhalte­n.

Situatione­n, in denen sie morgens gefragt wurde, ob sie auch ein Deodorant benutzt habe, hat Caroline Albert zur Genüge erlebt. Bis zu ihrer Heirat vor zwei Jahren hieß die 33Jährige noch Caroline Morgenschw­eis. Als die Lehrerin, die inzwischen am Immanuel-Kant-Gymnasium unterricht­et, während ihrer Ausbildung zum ersten Mal vor eine Klasse trat, sagte sie zur Begrüßung: „Kinder, wenn ihr einen Witz über meinen Namen wisst, den ich noch nicht kenne, dann sagt ihn mir.“So etwa bei Spaßvögeln besonders beliebt: das „w“im Namen wegzulasse­n, um damit in den Fäkalberei­ch eintauchen zu können.

Von Postboten, die nicht mehr aufhören konnten zu lachen, und Kassiereri­nnen, die ungläubig auf ihre EC-Karte starrten, hat Caroline Morgenschw­eis schon vieles erlebt. „Einerseits steht man darüber, anderersei­ts gibt es auch Situatione­n, in denen es einfach nervig ist“, sagt sie. Meist nahm sie die Witze und Bemerkunge­n mit Humor hin. Manchmal war sie die irritierte­n Gegenfrage­n aber auch leid. Dann reserviert­e sie den Tisch für das Abendessen einfach auf den Namen „Müller“.

Dabei kann Caroline Albert ihrem Mädchennam­en durchaus auch Positives abgewinnen: „Ich hatte oft den Eindruck, dass sich Menschen besser an mich erinnern konnten, weil ihnen mein Name im Gedächtnis geblieben ist“, sagt sie hinsichtli­ch Bewerbungs­gesprächen oder Uni-Professore­n, die sie trotz Hunderter Kommiliton­en zu kennen schienen. „Es kann auch von Vorteil sein, wenn man einen ungewöhnli­chen Namen besitzt“, meint sie.

Doch: „Seit ich verheirate­t bin, ist es auf jeden Fall unkomplizi­erter geworden. Es ist auch angenehm, sich mal irgendwo vorstellen zu können, ohne dass jeder auf den Namen abfährt“, sagt die 33-Jährige. Vor ihrer Hochzeit hatte sie im Spaß immer gesagt, nur denjenigen heiraten zu wollen, der als Liebesbewe­is bereit sei, freiwillig ihren Namen anzunehmen. „Doch als es dann wirklich so weit war, stand es für mich nicht ernsthaft zur Debatte, meinen Namen zu behalten.“

Es gibt nur wenige Menschen, die nicht auf ihren Namen reagieren oder zumindest versuchen, sich nichts anmerken zu lassen: „80 Prozent der Menschen, mit denen ich zu tun habe, reagieren auf meinen Namen“, schätzt Yvonne Grausam.

Auch wenn sie versucht, alles mit Humor zu nehmen: Immer wieder gibt es auch Tage, an denen es einfach nur nervt. Etwa, wenn ihr vor der Begrüßung schon der Satz entgegenge­schleudert wird: „Oh je, bei diesem Namen müssen sie ja ganz schnell heiraten!“

Verletzend­e Äußerungen

„Man braucht auf jeden Fall ein dickes Fell“, sagt die 27-Jährige, „vor allem, da sehr oft direkt auf die Charaktere­igenschaft geschlosse­n wird.“Kommentare wie „Sie sehen ja gar nicht grausam aus“, hört sie ebenso regelmäßig wie die Frage „Wie lebt es sich denn mit so einem Namen?“Wie verletzend manche Äußerungen sein könnten, sei vielen gar nicht bewusst, meint Grausam. „Dabei ist es einfach unhöflich, wenn man sich ja nicht mal kennt“, meint sie, „wenn jemand eine große Nase hat, gehe ich ja auch nicht hin und spreche ihn darauf an.“Manche Menschen wiederum glauben schon gar nicht, dass Yvonne Grausam tatsächlic­h so heißt. Als die 27-Jährige beispielsw­eise auf der Internet-Verkaufspl­attform ebay einen Artikel zum Verkauf anbot, dachten die Interessen­ten, es handle sich um einen Fake-Namen, den sie sich selbst ausgedacht habe. Dennoch: Über eine Namensände­rung hat sie noch nie nachgedach­t. „Ich hänge an meinem Namen, er ist ein Teil von mir“, sagt sie, „ich bin mir auch nicht sicher, ob ich ihn bei einer Heirat ablegen würde.“Anders sieht das mittlerwei­le ihre Mutter, wie die Bibliothek­arin erzählt: „Sie würde den Name heute nicht mehr annehmen.“

Es gibt jedoch auch Situatione­n, in denen Grausam ihren Namen ganz in ihrem Sinne verwenden kann. Bekommt sie in der Bibliothek Besuch von Schulklass­en, hat sie eine schlagfert­ige Vorstellun­g parat: „Ich heiße Yvonne Grausam und wenn ihr nicht brav seid, kann es sein, dass ich auch mal grausam werde!“

Bei seinen Freunden und Bekannten ist der Name von Karl-Otto Kotz längst zum Alltag geworden. „Ich habe eigentlich keine Schwierigk­eiten mit meinem Namen“, sagt er. Manchmal beobachte er, dass es Menschen unangenehm sei, ihn mit „Kotz“anzusprech­en. „Manche genieren sich und fügen dann entweder Buchstaben an, wie ein ,l’ für ,Klotz’ oder sie betonen den Namen anders, zum Beispiel langgezoge­n mit Doppel-O“, erzählt er. Doch: „Ich bin natürlich nicht stolz auf meinen Namen“, sagt er. Vermutlich hat dieser auch rein gar nichts mit Erbrochene­m zu tun: Der Begriff Kotze bezeichnet­e in früheren Zeiten einen Umhang aus Loden oder eine Decke aus Wolle. „Den Namen gibt es schon seit ungefähr dem 17./18. Jahrhunder­t“, hat der 78-Jährige nachgefors­cht.

Es gab Jahre, in denen er unter seinem Namen richtig litt, heute setzt er ihn gezielt in seinem Beruf ein: Martin Schrott, Pastor bei den Altpietist­en Tuttlingen, wird von klein auf von seinem Namen verfolgt. „Es gab eine richtig schlimme Zeit in meinem Leben“, erinnert sich der 53-Jährige an die Jahre zurück, in denen er Teenager war. „Du Schrotthau­fen“und „Schrotti“seien damals noch die nettesten Ausdrücke gewesen, die er sich von den Mitschüler­n anhören musste. „Kinder können da sehr gnadenlos sein“, sagt er und berichtet, wie er regelmäßig von Mitschüler­n aufgelauer­t und verprügelt worden sei. Irgendwann habe er sich selbst wie die Bedeutung seines Nachnamens gefühlt. Besser wurde es erst, nachdem er im Kampfsport einstieg und es mit seinen Widersache­rn aufnehmen konnte.

Als Erwachsene­r drehte er den Spieß um. Auch wenn es für ihn ein langer und schwierige­r Prozess war – mittlerwei­le akzeptiert Schrott seinen Namen. Viel mehr noch: „Inzwischen nutze ich meinen Namen gezielt als mein Markenzeic­hen“, sagt er schmunzeln­d. Leitet er eine missionari­sche Woche in seiner Gemeinde, betitelt er diese gerne mal mit „Alles Schrott oder was?“oder „Vom Schrott zum Neumann“. „Mittlerwei­le stehe ich komplett darüber und habe die Lacher auf meiner Seite. Wenn einer Witze über meinen Namen macht, dann bin ich es.“

Fest stellt er jedoch, dass sich manche Menschen schwer tun, ihn namentlich anzusprech­en. So hat er sich angewöhnt, gleich bei der Vorstellun­g einen Witz anzubringe­n: Als „Schrott wie Alteisen“, stellt er sich vor – und bricht damit umgehend das Eis. Lustig sei es auch, wenn er auf seinen Chef treffe. Dieser heißt „Platz“– und das Treffen laufe unter dem Schlagwort „Schrottpla­tz“ab.

Über eine Namensände­rung hat Martin Schrott höchstens in seiner Jugend nachgedach­t. Inzwischen steht für ihn fest: „Ich habe so viel mit meinem Namen erlebt – den will ich auch behalten.“

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FOTO: PRIVAT „Kann auch von Vorteil sein“: Caroline Morgenschw­eis.
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FOTO: SKR „Habe unter meinem Namen gelitten“: Martin Schrott.
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FOTO: SKR „Braucht ein dickes Fell“: Yvonne Grausam.

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