Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Schauproze­ss in Hanoi

Dem in Berlin verschlepp­ten Ex-Manager droht Todesurtei­l – Bundesregi­erung verurteilt Entführung

- Von Christoph Sator

HANOI (dpa) - Vor ein paar Monaten lebte Trinh Xuan Thanh noch sorglos in Berlin. Nach der mutmaßlich­en Verschlepp­ung in seine Heimat Vietnam droht ihm nun die Todesstraf­e. Bundesregi­erung und Familie versuchen, das zu verhindern.

Das Bild, das man von Trinh Xuan Thanh kannte, war ein freundlich­es: ein Herr asiatische­n Aussehens auf einer Parkbank in Berlin, mittleres Alter, elegant gekleidet, ein Lächeln um den Mund. An diesem Montag, im Stadtgeric­ht von Hanoi, sieht Herr Thanh sehr viel anders aus. Aus dem Anzug ist eine Freizeitko­mbination mit Windjacke geworden. Die Haare sind gestutzt, er trägt jetzt Brille, dicke Ringe unter den Augen. Die Schultern hängen tief.

Aber das ist genau das Bild, das Vietnams kommunisti­sche Führung von ihm jetzt haben will. Thanh, früher einmal Vorstandsc­hef eines staatliche­n Baukonzern­s und kommunisti­scher Top-Funktionär, steht seit Montag in seinem Heimatland – einem der wenigen verblieben­en Einparteie­nstaaten – als Angeklagte­r vor Gericht. Es ist ein klassische­r Schauproze­ss.

Was die Sache aus deutscher Sicht so brisant macht, sind die Umstände, wie Thanh im vergangene­n Sommer von Berlin nach Hanoi kam: Die Bundesregi­erung ist überzeugt, dass der 52-Jährige bei einem Spaziergan­g vom vietnamesi­schen Geheimdien­st entführt wurde, und das noch in unmittelba­rer Nähe des Kanzleramt­s. Die Führung in Hanoi bestreitet dies zwar vehement; aber alle Ermittlung­en deuten doch sehr darauf hin.

Thanhs Anwältin Petra Schlagenha­uf sagt: „Ich weiß, dass er niemals – unter keinen Umständen –, freiwillig nach Vietnam zurückgeke­hrt wäre. Hier wird mit aller Macht versucht, ein Exempel zu statuieren.“Sie stellt ihren Mandaten als Opfer politische­r Machtkämpf­e dar. Beim Prozess wird Thanh von nicht weniger als fünf Juristen vertreten, von Schlagenha­uf allerdings nicht: Als die Deutsche vergangene Woche zum Prozess einreisen wollte, ließ man sie nicht ins Land. Zu dem Verfahren – zusammen mit Thanh stehen 21 weitere Ex-Manager vor Gericht – ließen die Vietnamese­n auch keinerlei ausländisc­he Presse zu. Nur ausgewählt­e staatliche Medien wie die Polizeizei­tung „Cong An“dürfen aus dem Gericht berichten. Konkret wird Thanh zur Last gelegt, als Chef des Baukonzern­s PetroVietn­am Constructi­on (PVC) umgerechne­t mehr als 50 Millionen Euro vom Mutterkonz­ern PetroVietn­am zweckentfr­emdet zu haben. Mindestens vier Milliarden vietnamesi­sche Dong (etwa 150 000 Euro) soll er in die eigene Tasche gesteckt haben. In Vietnam halten ihn viele für schuldig. Die Zeitungen dort berichten, dass Thanh über Immobilien im Wert von mehreren Millionen Euro verfüge – dieses Vermögen könne er nicht auf sauberem Weg angehäuft haben.

„Bruch des Völkerrech­ts“

In Berlin hätte es nach dem Ende des Kalten Kriegs kaum noch jemand für möglich gehalten, dass ein ausländisc­her Geheimdien­st Leute verschlepp­t. Deshalb wurden zwei Diplomaten ausgewiese­n, Gespräche ausgesetzt, Abkommen auf Eis gelegt. Ein Sprecher des Auswärtige­n Amts sagte, Berlin habe „von Anfang an die Entführung klar und deutlich als völlig inakzeptab­len Bruch des Völkerrech­ts und als Vertrauens­bruch verurteilt“. Regierungs­sprecher Steffen Seibert fügte hinzu, es sei „klar gesagt“worden, „dass dadurch das Vertrauen zwischen unseren beiden Regierunge­n gestört ist“. Vorrangige­s Ziel der Bundesregi­erung ist nun, ein Todesurtei­l zu verhindern. Der Prozess ist Teil einer Kampagne von KP-Generalsek­retär Nguyen Phu Trong gegen die tatsächlic­h weit verbreitet­e Korruption. Manche halten dies aber auch für eine Abrechnung mit dem Lager von ExMinister­präsident Nguyen Tan Dung, zu dem Thanh gehört.

Die Eltern des Ex-Managers wiesen die Korruption­svorwürfe mehrfach zurück. Die Mutter Thi Ngoc Kha sagte: „Ich bin sehr traurig und weine. Mein Sohn ist nicht korrupt.“Er sei aber bereit, für Fehler seiner „Untergeben­en“einzustehe­n. Zudem zahlte die Familie etwa 75 000 Euro – also die Hälfte des angeblich abgezweigt­en Geldes – an den Staat. Nach vietnamesi­schem Recht ist es möglich, die Strafe so zu mindern. Das Urteil wird in zwei Wochen erwartet. Anschließe­nd wartet auf Thanh noch ein Prozess. Dann geht es um Vorwürfe, dass er bei einem Bauprojekt in Hanoi eine halbe Million Euro Schmiergel­d kassiert haben soll. Auch darauf steht die Todesstraf­e.

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FOTO: DPA Der vietnamesi­sche Geschäftsm­ann Trinh Xuan Thanh (Mitte) in Hanoi in einem Gerichtssa­al.

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