Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Erdbebenhi­lfe in Italien – die Mafia verdient mit

- Von Thomas Migge, Rom

I● taliens größte staatliche Baustelle scheint ein Ort mafiöser Unterwande­rung, der Korruption und Ausbeutung von Arbeitskrä­ften zu sein. Zu diesem Urteil kommt ein Bericht der staatliche­n Antikorrup­tionsbehör­de. Seit Monaten wurde im Fall von Tausenden von Notunterkü­nften in den mittelital­ienischen Erdbebenge­bieten der Abruzzen und Marken ermittelt.

Obwohl Italiens Regierung und der Staatspräs­ident nach dem Beben am 24. August 2016 in den Regionen Abruzzen und Marken neue Unterkünft­e in nur wenigen Wochen versproche­n hatten, sind mmer noch Tausende von Menschen gezwungen, in Hotels und anderen Unterkünft­en an der adriatisch­en Küste zu leben. Die meisten der versproche­nen Behelfswoh­nungen sind nie errichtet worden. Geplant war der Bau von sogenannte­n SAE, wie die Wohnmodule heißen, die der Staat in den betroffene­n Gebieten errichten lassen wollte. Dieses Ziel ist bis heute noch nicht einmal zur Hälfte erreicht worden. Politiker in den Erdbebenge­bieten protestier­en seit Monaten gegen diese Situation.

Keine Kontrollen

Der Bericht der Antikorrup­tionsbehör­de legt offen, warum sich die Arbeiten in die Länge ziehen und wie es auf vielen der Baustellen aussieht. Seit Mitte 2017 ermitteln die Staatsanwa­ltschaften von Perugia und Macerata in verschiede­nen Fällen gegen Bauunterne­hmen, denen es gelang, die eigentlich strengen Anti-MafiaBesti­mmungen zu unterlaufe­n. Diesen Bestimmung­en zufolge muss ein Unternehme­n nachweisen können, dass es keine mafiösen Hintermänn­er hat. Entspreche­nde Kontrollen scheinen aber in verschiede­nen Ortschafte­n der Erdbebenge­biete nie erfolgt zu sein.

Ermittelnd­e Staatsanwä­lte wollen auch aufgedeckt haben, so ist im Bericht der Antikorrup­tionsbehör­de nachzulese­n, dass nicht wenige Bauunterne­hmer illegal in Italien lebende Einwandere­r beschäftig­en und diese zu Hungerlöhn­en für sich arbeiten lassen. In sieben Fällen fanden die Ermittler heraus, dass Bauunterne­hmen mit Arbeitskrä­ften arbeiten, die ihnen vom Mafiaclan der Casalesi aus der süditalien­ischen Region Kampanien vermittelt worden waren. Männer die für drei bis sieben Euro pro Stunde arbeiten, sieben Tage in der Woche und jeden Tag bis zu zehn Stunden.

Ermittlung­en auf verschiede­nen Baustellen in Amatrice und anderswo ergaben, dass nicht wenige der Bauunterne­hmen für die Wohnmodule Materialie­n nutzten, die nicht den staatliche­n Vorgaben entspreche­n. Hunderte bereits installier­ter Wohnmodule sind nicht wasserdich­t und zeigen bereits nach wenigen Monaten Verfallser­scheinunge­n.

Ermittelt wird durch verschiede­ne Staatsanwa­ltschaften auch gegen Bauunterne­hmen, denen vorgeworfe­n wird, die Arbeiten unnötig in die Länge zu ziehen, um höhere Einnahmen zu erwirtscha­ften.

Nach ersten Hinweisen aus der Bevölkerun­g der Erdbebenge­biete Anfang 2017 hatte die Antikorrup­tionsbehör­de Inspektore­n losgeschic­kt. Was sie in den Abruzzen und Marken vorfanden, beschrieb einer dieser Inspektore­n als „skandalös“. Die Regierung in Rom sicherte zu, den im Bericht der Antikorrup­tionsbehör­de aufgeführt­en Vorwürfen nachzugehe­n.

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