Medinetz gibt Mittellosen eine Chance
Verein unterstützt Kranke ohne Versicherung - Manchmal bleibt Hilfe ohne Erfolg
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ULM - Julia Langelittig und Stefanie Thiess können erfreuliche Geschichten von Geburten und Zahnbehandlungen erzählen, die Medinetz Ulm ermöglicht hat. Doch sie können auch furchtbare Geschichten erzählen. Eine davon spielt in den Wochen vor Weihnachten.
Medinetz ist ein Verein von Ulmer Medizinstudenten, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Menschen ohne Krankenversicherung eine ärztliche Behandlung zu ermöglichen. Medinetz hat etwa 85 Mitglieder, 25 von ihnen sind ehrenamtlich aktiv.
Langelittig und Thiess gehören zu den aktiven Mitgliedern. Sie und andere betreuen die Sprechstunde, die alle zwei Wochen stattfindet, und das Notfalltelefon, über das sich Patienten melden können. Die kamen schon aus dem Umland von Stuttgart und der Umgebung von Kempten. „Wir sind das Ende der Fahnenstange. Danach kommt nichts mehr“, sagt Julia Langelittig. Manche, die bei Medinetz Hilfe suchen, sind obdachlos. Andere leben illegal im Land. Wieder andere sind legal hier, Deutsche oder Ausländer.
Klinik weist Kranke ohne Kostenzusage ab
So wie die Frau aus Mazedonien. Sie hatte einen Verwandten in Ulm besucht und wollte zurück nach Hause. Doch die Mitarbeiter der Fluglinie verlangten ein Attest. Der linke Arm der Frau war enorm geschwollen. Ein Klinik wies die Mazedonierin ab: keine Versicherung, keine Untersuchung, kein Attest.
Die Dolmetscherin, die am Flughafen zur Unterstützung herbeigerufen wurde, hatte von Medinetz gehört. Sie begleitete die Frau zur Sprechstunde des Vereins. Die Helfer bemerkten offenen Stellen am Rücken und unter der Achsel der Mazedonierin, sie nahmen der Frau den Verband ab. Der Arm sei auf die fünffache Größe angeschwollen gewesen, schildert Thiess.
Medinetz stellte Geld bereit, um eine Untersuchung in der Frauenklinik zu bezahlen. Die Diagnose: ein Lymphödem. Der Frau war nach einer Krebserkrankung in ihrer Heimat die Brust abgenommen worden, aber ohne die nötige Lymphdrainage. „In der Frauenklinik haben sie gesagt: Wir können nichts mehr für sie tun“, berichtet Thies.
Weil sich die Dolmetscherin der Aufgabe nicht gewachsen fühlte und sonst niemand Mazedonisch sprach, übersetzten zwei Studenten von Medinetz die Diagnose mit dem GoogleÜbersetzer. Sie versuchten, einfache Sätze zu verwenden und dennoch einfühlsam zu sein.
Die Ärzte empfahlen, dass die Frau in ihre Heimat zurückkehrt, das wollte auch die Patientin. „Sie sollte in ein familiäres Umfeld gehen“, sagt Thiess. „Wir haben ihr den Flug ermöglicht und wissen nicht, was jetzt passiert. Das ist wirklich kein gutes Gefühl.“Das Attest für den Flug stellten die Ärzte aus.
„Die Patienten kommen oft in einem Stadium, in dem es eigentlich schon zu spät ist“, sagt Langelittig. Doch die 27-Jährige hat auch schöne Erfahrungen mit Medinetz gemacht. Sie ist Mutter eines kleinen Sohns und hat ihr Kind fast zur gleichen Zeit zur Welt gebracht wie eine Frau, die Hilfe beim Verein gesucht hat. Selbst die schlimmsten Fälle bergen kleine positive Momente. Stefanie Thiess erinnert sich an die kranke Mazedonierin: „Sie war so dankbar allein als wir zugesagt haben, dass ein Arzt drüber schaut.“
Dolmetscher werden dringend gebraucht
Die Sprachbarriere zwischen der Mazedonierin und den Helfern ist ein häufiges Problem. Vor allem bei osteuropäischen Sprachen sei es schwierig, Leute zu finden, die medizinische Begriffe übersetzen können, sagt Stefanie Thiess. Sie hat von ihren Großeltern Rumänisch gelernt. Doch bestimmte Fachbegriffe fehlen auch der Studentin. Deshalb sucht der Verein nicht nur nach Ärzten, Pflegern und Spendern, sondern auch nach Übersetzern.
Die Freiwilligen von Medinetz finden auch in den brutalen Momenten ihrer Arbeit einen Mehrwert. „Man lernt ein Stück anderes Deutschland kennen. Es gibt diese Menschen, aber die Gesellschaft will sie nicht sehen“, sagt Julia Langelittig.