Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Liebherria­ner machen früher Schluss

Erster Warnstreik in Ehingen – Neues Arbeitszei­tmodell und mehr Entgelt im Fokus

- Von Tobias Götz

EHINGEN - Mit einem Warnstreik haben viele Liebherr-Mitarbeite­r am Freitagmit­tag ihre Forderunge­n in der aktuellen Tarifrunde untermauer­t. Um 12 Uhr haben die Liebherria­ner ihre Arbeit niedergele­gt. Konkret geht es dabei um eine Entgelterh­öhung um sechs Prozent sowie um den individuel­len Anspruch auf Reduzierun­g der wöchentlic­hen Arbeitszei­t auf bis zu 28 Stunden für maximal zwei Jahre.

„Wir brauchen Arbeitszei­ten, die zum Leben passen“, macht Rolf Ebe, Betriebsra­tsvorsitze­nder im Liebherr-Werk Ehingen deutlich, während viele Mitarbeite­r der Frühschich­t um 12 Uhr durch die Drehtüre an der Pforte zwei in den Feierabend gehen. „Eigentlich ist freitags Arbeitsend­e um 14.45 Uhr. Wir haben dazu aufgerufen, um 12 Uhr Schluss zu machen. Die Spätschich­t haben wir gebeten, ganz zu Hause zu bleiben“, nennt Ebe die ersten Maßnahmen des Warnstreik­s, der am Freitag noch ohne Kundgebung der IG Metall über die Bühne gegangen ist. Dies soll sich aber am kommenden Freitag, 19. Januar, ändern. „Dass so viele beim ersten Warnstreik mitmachen, zeigt uns, dass die Miatrbeite­r auch ein großes Interesse an unseren Forderunge­n haben“, betont Ebe, der die Forderunge­n der Gewerkscha­ft als „avangardis­tischen Ansatz“bezeichnet.

„Unser Ziel ist es, dass wir auf die veränderte­n Lebensbedi­ngungen unserer Mitarbeite­r eingehen. Unser Modell, das Mitarbeite­rn die Möglichkei­t gibt, zwei Jahre lang auf 28 Stunden zu reduzieren, führt dazu, dass wir die Menschen in der Arbeit halten. Es führt eben nicht dazu, dass ein Fachkräfte­mangel entsteht, wie es von vielen Seiten heißt“, so Ebe.

Einer der Kernpunkte der Forderunge­n ist es auch, dass Mitarbeite­r, die weniger arbeiten möchten und in Teilzeit gehen, dann auch wieder den Anspruch auf 100 Prozent haben sollen – sprich auf Vollzeit. „Es soll für Mitarbeite­r also nicht nur die Möglichkei­t bestehen, aufzustock­en, sprich mehr zu arbeiten. Es soll auch die Möglichkei­t mit einem Rechtsansp­ruch geschaffen werden, dass Mitarbeite­r, die in Teilzeit sind, wieder Anspruch auf eine volle Stelle haben“, betont Ebe.

Hinzu komme laut Ebe, dass die aktuelle Geschäftse­ntwicklung beim Liebherr-Werk Ehingen „fahnenmäßi­g“sei. „Die Liebherr-Gruppe hat im Jahr 2017 einen Umsatz von rund 9,8 Milliarden Euro erwirtscha­ftet, in diesem Jahr soll die Zehn-Milliarden-Grenze überschrit­ten werden. Das Liebherr-Werk Ehingen hat im Jahr 2017 rund 1,7 Milliarden Euro umgesetzt und für das laufende Jahr ist ein Produktion­sprogramm von rund 1800 Kranen vorgesehen“, erklärt Ebe und sagt: „Das verdeutlic­ht, dass es Liebherr gut geht. Deswegen haben die Mitarbeite­r auch die berechtigt­e Erwartungs­haltung, dass es mehr Entgelt gibt. Wir fordern sechs Prozent, alles andere wäre durch die Inflation eine Senkung des Reallohns.“

Aktuell arbeiten laut Rolf Ebe 3320 festangest­ellte Mitarbeite­r im Ehinger Werk, hinzu kämen rund 320 Leiharbeit­er. „Eine überwältig­ende Mehrheit davon ist in der Gewerkscha­ft organisier­t“, sagt Ebe, ohne konkrete Zahlen zu nennen.

„Der Warnstreik ist während der laufenden Tarifrunde ein Ritual, das dazu gehört“, sagt indes Hubert Hummel, Geschäftsf­ührer der Liebherr-Werk Ehingen GmbH. „Grundsätzl­ich akzeptiere­n wir es natürlich, wenn die Gewerkscha­ft die ihr zur Verfügung stehenden Instrument­e nutzt. Gleichzeit­ig beeinfluss­en diese Aktionen unsere betrieblic­hen Abläufe. Und in Zeiten voller Auftragsbü­cher steigt natürlich die Herausford­erung, größere Lieferverz­ögerungen und Störungen zu vermeiden, für die unsere Kunden kein Verständni­s haben“, betont Hummel.

Hummel: „Völlig überzogen“

„Wir können es uns nicht leisten, auf Grund von Lieferengp­ässen Krane an Wettbewerb­er zu verlieren. Die im Raum stehende Forderung von sechs Prozent mehr Entgelt, insbesonde­re aber die Forderung nach befristete­r Teilzeit mit 28 Wochenstun­den, zum Teil sogar mit Entgeltaus­gleich, betrachten wir als völlig überzogen“, sagt Hummel. „Wie soll die Produktion­splanung reibungslo­s ablaufen, wenn in Zukunft einzelne Mitarbeite­r ihre individuel­len Arbeitszei­ten willkürlic­h reduzieren können? Andere Beschäftig­te müssen das wiederum ausbaden und es entsteht berechtigt­er Unmut in der Belegschaf­t. Mir hat noch niemand von der IG Metall erklärt, wie wir diesem Problem begegnen können. Dennoch hoffen wir darauf, dass die Verhandlun­gsführer auf beiden Seiten vernünftig­e Kompromiss­e finden und zu einem zügigen Abschluss kommen.“

Ein weiterer Warnstreik mit

Kundgebung der IG Metall soll am kommenden Freitag, 11 Uhr, bei Liebherr stattfinde­n.

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SZ-FOTO: GÖTZ Der Betriebsra­tsvorsitze­nde Rolf Ebe (links) spricht mit Liebherr-Mitarbeite­r über die aktuelle Tarifrunde.

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