Frankreichs Partei der vertrockneten Rose
E● s war das letzte Mal, dass sich die Journalisten in der legendären Parteizentrale der französischen Sozialisten drängten. Die Parti Socialiste hatte zum Neujahrsempfang geladen und viele waren gekommen. Einen letzten Blick wollten sie auf Solferino werfen, jenes Stadtpalais im siebten Pariser Arrondissement, in dem 1981 der Wahlsieg von François Mitterand gefeiert wurde. Inzwischen ist es vorbei mit dem Feiern in der Partei, die die Faust mit der Rose als Symbol hat. Die sozialistische Rose scheint vertrocknet. Erstmals keine Parteiprominenz und keine Häppchen bei den Neujahrswünschen. „Wir wollten es schlicht halten“, sagt ein Mitarbeiter.
Dabei soll in diesem Jahr der Neuanfang gelingen nach einem „annus horribilis“, in dem der sozialistische Kandidat Benoît Hamon nicht nur die Präsidentschaftswahlen in der ersten Runde mit sechs Prozent kläglich verlor. Auch in der Nationalversammlung schrumpfte die Fraktion der Sozialisten von mehr als 200 auf 31 Abgeordnete. Die Folge: Das Budget der ältesten französischen Partei beträgt statt 25 nur noch acht Millionen Euro. Die Parteizentrale wurde deshalb an eine Immobilienagentur verkauft. 60 Mitarbeiter müssen gehen, weil die Partei sie nicht mehr bezahlen kann.
„Ameisenhaufen ohne Königin“
Wohin die restlichen Parteiangestellten ziehen, ist noch unklar. Ebenso wie ihr neuer Chef. Der Senator Rachid Temal führt die Geschäfte vorübergehend, seit JeanChristophe Cambadélis den Vorsitz abgab. Ein Nachfolger von Format, der die Partei mit Führungsstärke und Charisma wieder nach oben bringen könnte, ist nicht in Sicht. Wochenlang konzentrierten sich die Hoffnungen auf die frühere Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem, doch die sprang vergangene Woche ab. Die Wunschkandidatin der Mehrheit der offiziell noch 90 000 Parteimitglieder zieht es vor, beim Verlag Fayard einzusteigen. „Diese Abfuhr ist ein unheilvolles Zeichen für das Bild der großen französischen Partei“, schreibt das Magazin „Le Point“zu der Entscheidung. „Die Partei der Rose dürfte damit zu einem Ameisenhaufen voller mittelmäßiger Baumeister werden, ohne Königin oder König.“
Während die Sozialisten also weiter Richtung Untergang wanken, übernimmt La France Insoumise des Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon die Rolle der linken Oppositionspartei. Mélenchon macht sich mit seinen Abgeordneten in der Nationalversammlung bemerkbar, während die Sozialisten kaum auffallen. „Die Sozialisten sind dabei, das Szepter der Opposition ebenso zu verlieren wie das der Linken“, heißt es in einer Analyse der parteinahen Stiftung Jean Jaurès. Zu sehr schwankt der PS zwischen Kritik und Zusammenarbeit mit Präsident Emmanuel Macron, der bis vor gut einem Jahr noch selbst einer sozialistischen Regierung angehörte.
Doch der politische Ziehsohn von François Hollande hatte keine Skrupel, mit seiner Kandidatur links der Mitte die einstige Regierungspartei zur Explosion zu bringen. Mit seinem sozialliberalen Kurs holte er gemäßigte Sozialisten wie Ex-Regierungschef Manuel Valls, Innenminister Gérard Collomb oder Staatssekretär Olivier Dussopt zu sich. Die Überläufer haben inzwischen mit ihrer einstigen politischen Heimat abgeschlossen. „Diese sozialistische Partei ist tot“, sagt Valls. „Sie liegt hinter uns.“