Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Schief und berühmt

Neues Buch mit viel Interessan­tem über das schiefe Haus im Ulmer Fischervie­rtel

- Von Dagmar Hub

ULM - Nach dem Münster und wahrschein­lich auch dem Rathaus ist das Schiefe Haus im Fischervie­rtel das meistfotog­rafierte Bauwerk in Ulm. Ins Guinnessbu­ch der Rekorde schaffte es das ehemalige Bürgerhaus, das auf das Jahr 1406 zurückgeht, als schiefstes Hotel der Welt, nachdem sich der Architekt Günter Altstetter mit dem Erwerb des denkmalges­chützten, aber sanierungs­bedürftige­n Fachwerkha­uses in den frühen 90er Jahren einen Traum erfüllt hatte. Zahllose Fotografie­n und Postkarten des Bauwerkes existieren, eine Aufarbeitu­ng seiner Geschichte jedoch nicht.

Mit dem Buch „Das Schiefe Haus von Ulm: Schön schräg, aber standfest“schließt die Ulmer Autorin Kathrin Schulthess jetzt diese Lücke – sorgfältig recherchie­rt und dennoch leicht lesbar, attraktiv mit alten und neuen Aufnahmen illustrier­t. Wer weiß schon, dass die Adresse des Schiefen Hauses fast 400 Jahre lang „Am Trinktürle­in Eins“hieß? Der Name rührt daher, dass es an der Gasse zum „Trinktürle­in“hinein lag – eine heute nicht mehr existente Öffnung in der Staufermau­er, die jahrhunder­telang Mensch und Tier Zugang zum Wasser der Blau gewährt hatte, gab dem Ort den Namen. Die Pferdeträn­ke unmittelba­r neben dem Schiefen Haus jedoch gibt es immer noch.

Wer die Erbauer des über 600 Jahre alten Fachwerkha­uses waren, ist nicht mehr feststellb­ar. Eine Fischerfam­ilie dürfte es in jedem Fall gewesen sein. Der erste Name eines Verkäufers taucht im 17. Jahrhunder­t auf, als der Schiffmann Georg Molfenter seine vordere Hälfte des Gebäudes an den Schneider Ulrich Eberhard veräußerte. Autorin Kathrin Schulthess erzählt von glanzvolle­n Zeiten des Hauses, von seinem Verfall und seiner sorgsamen Rettung.

Sie erklärt im Buch, wie es zur extremen Neigung des spätgotisc­hen Hauses von rund zehn Grad kommen konnte: Weil das Haus auf seiner Nordseite auf Kies steht, auf seiner Südseite auf weniger tragfähige­m Grund. Sie berichtet von ehemaligen Bewohnern des Hauses wie der Witwe von Albrecht Ludwig Berblinger, dem legendären 1829 verarmt verstorben­en „Schneider von Ulm“. Anna Maria Berblinger dürfte in dem – damals schon verwahrlos­ten – Haus nach der Mitte des 19. Jahrhunder­ts gestorben sein. Archäologi­sche Funde aus der Latrine des Hauses sind in dem Band ebenso dokumentie­rt wie der Umbau des Hauses in ein Hotel und die Einrichtun­g der einzelnen Zimmer.

Filme, für die das Schiefe Haus die Kulisse abgab, finden Erwähnung, und prominente und weniger prominente Besucher des Hotels. Historisch­es Bildmateri­al illustrier­t den Band, ebenso aber auch eine gezeichnet­e Rekonstruk­tion, wie das Schiefe Haus im 15. Jahrhunder­t ausgesehen haben dürfte.

Das Buch „Das Schiefe Haus von Ulm“ist im Coppenrath-Verlag erschienen und ist im Handel für 14,99 Euro erhältlich.

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FOTO: DAGMAR HUB Schön schief: das schiefe Haus im Fischervie­rtel.

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